Jorge Oswald
ist Filmemacher, sein Road-Movie kommt ins Kino.
Nicht einmal die SKKG selbst kannte alle Objekte ihrer Sammlung. Von geschätzten rund 100 000 Objekten sind 63 431 nun online zugänglich.
Meilenstein Die Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte (SKKG) in Winterthur verfügt nach eigenen Angaben über eine Sammlung von rund 100 000 Objekten, die durch den Winterthurer Bruno Stefanini gesammelt wurden. Darunter befinden sich Akten der Nürnberger Prozesse und der Schreibtisch, auf dem John F. Kennedy 1968 den Atomwaffensperrvertrag unterschrieben hat. Vertreten sind Kuriositäten wie ein Zirkusmodell mit den Dimensionen einer Dreizimmerwohnung.
Mit der neu aufgeschalteten Sammlungsplattform will die SKKG die Sammlung sichtbar machen. «Die Sammlung digital wurde in Zusammenarbeit mit einem Fachpublikum entwickelt, spricht aber alle an, die neugierig sind und sich ein eigenes Bild der Sammlung machen wollen», sagt Laura Walde, Projektleiterin Kommunikation der SKKG, beim Gespräch am Standort der Stiftung im Wintower.
«Wir stellen die Objekte gerne anderen Museen zur Verfügung» sagt Sonja Gasser. Sie ist Kunsthistorikerin und seit rund zwei Jahren Projektleiterin «Sammlung digital» bei der SKKG. Die Stiftung hat entschieden, mit der Sammlung kein eigenes Museum zu eröffnen. «Wir gehen einen anderen Weg: Statt eine Auswahl von Objekten in eigenen Ausstellungen zu zeigen, machen wir die ganze Sammlung auf einer digitalen Plattform zugänglich und leihen Objekte an bestehende Museen aus», so Gasser.
«Der Entscheid, auf ein Museum zu verzichten, ist nach dem Tod von Bruno Stefanini gefallen», ergänzt Walde. «Es braucht nicht noch ein weiteres Museum in Winterthur, wo wir bereits hervorragende Museen haben.» In der Zwischenzeit hat die Kunsthistorikerin Gasser ihren Laptop gestartet und die Webseite der «Sammlung digital» auf den Bildschirm des Sitzungszimmers projiziert.
Laut Gasser sind inzwischen knapp 100 000 Objekte digital erfasst. «Für uns war es spannend zu sehen: Was gibt es alles in der Sammlung?» Vieles sei in Estrichen von Häusern oder Schlössern aufgetaucht. «Die Objekte waren staubig, verdreckt und nicht systematisch erfasst.» Daraus habe die SKKG ein Grossprojekt gemacht, unter dem Motto: Alles einmal durchsehen. Die Vorarbeiten für die «Sammlung digital» wurden im grossen Reinigungs- und Registrierungsprojekt 2021 und 2022 von einem rund 80-köpfigen Team geleistet.
Nachdem ein Objekt, sei es ein Möbel-Ensemble, ein Gemälde von Hodler oder ein Kleidungsstück aus der Garderobe der Kaiserin Sisi aus dem Dornröschenschlaf geweckt worden war, durchlief es einen definierten Prozess. Gasser: «Zuerst wurden die Objekte in den Depots zusammentragen, dann gereinigt, vermasst, fotografiert, mit einer eigenen SKKG-Inventar-Nummer versehen und in der Datenbank mit Standort erfasst. Jedes Objekt erhielt einen QR-Code.» So lässt es sich heute jederzeit im Depot wiederfinden.
Laut Gasser ist auch die Open Data Policy erwähnenswert. Ziel der SKKG sei es, Bilder möglichst unter freien Lizenzen zur Verfügung zu stellen, sodass sie sogar für kommerzielle Zwecke verwendet werden können. «Dazu haben wir intensive Abklärungen zu den Nutzungsrechten getroffen.»
Oft ist bei Gemälden auf der Rückseite ein Auktionszettel aus dem Auktionskatalog angeheftet, dieser erlaubt Rückschlüsse zur Provenienz, deshalb wurden die Zettel gescannt und mit der Datenbank verlinkt. «Beim Fotografien von Gemälden wurden im Registrierungsprojekt auch die Rückseiten abfotografiert», sagt Gasser. «Diese Bilder haben eine eigene Ästhetik», gerät die Kunsthistorikerin ins Schwärmen. Obwohl bereits eine immense Arbeit geleistet wurde, ist laut Gasser der aktuelle Stand nur ein erster Schritt. «Im Hinterkopf haben wir die Idee, dass die «Sammlung digital» als Info-Hub fungiert und Informationen, Objekte und das Wissen von Forschenden noch besser untereinander verknüpft werden.» Dazu sollen umfangreiche Informationen zur Verfügung gestellt und laufend ergänzt werden, zum Beispiel Literaturhinweise zu den Objekten oder gar Röntgenaufnahmen von den Gemälden.
« Bei der «Sammlung digital» ist uns das Schwarmwissen wichtig, wir erhoffen uns auch Hinweise aus der Bevölkerung», sagt Walde. Das Interesse der an der Sammlung sei gross.
Einen Blick in die Zukunft wirft Walde dann noch: «Ab 2030 werden alle Objekte in einem Depot im neuen CAMPO-Gebäude in Oberwinterthur untergebracht werden.» Mit CAMPO entsteht der neue Sitz der SKKG. Auch wenn kein eigentliches Museum geplant ist, soll Architektur mit Kunst eine Verbindung eingehen. «Geplant ist auch ein Gastrobereich, denn es soll ein Ort der Begegnung werden.»
Claudia Naef Binz
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