Gianluca Ogi
will sich in der Swiss League etablieren.
«Die Laborantin» erfährt ihre Schweizer Premiere in der Grüze. Bild: Tanja Dorendorf
Die Gesellschaft ist geprägt von Prognosen. Algorithmen bestimmen den Takt des Alltags. Ein Theater beleuchtet die Gefahr dahinter.
Theater Die Laborantin Bea kommt aus der Arbeiterschicht. Im Alltag analysiert sie Blutwerte. Blutwerte, die über die Zukunft anderer bestimmen. Erbliche Veranlagungen, das genetische Potenzial: In den Blutwerten werden Defizite sichtbar. Aufgrund von Beas Analyse werden die Menschen in einem sogenannten Rating kategorisiert – von eins bis zehn.
Welche Chancen hat jemand in der Ausbildung, im Beruf, bei der Partnersuche oder für medizinische Behandlungen? Die warme rote Flüssigkeit in den Körpern der Menschen gibt Auskunft darüber. Char, die Freundin der Laborantin Bea, hat Pech. Sie hat eine unheilbare erbliche Krankheit. Bea hilft, indem sie deren Werte fälscht: der Startschuss in ein Leben der Geheimnisse.
Zum ersten Mal führt ein Theater in der Schweiz «Die Laborantin» auf. An der Scheideggstrasse in Grüze findet am Donnerstagabend, 7. September, um 20 Uhr die Premiere statt. Zwei Schauspielerinnen und zwei Schauspieler spielen das Stück der erst 30-jährigen britischen Autorin Ella Road. Es ist das erste Theaterstück, dass die junge Autorin schrieb.
Regie führt Rüdiger Burbach, der seit dem Jahr 2010 künstlerischer Leiter des Theaters Kanton Zürich ist. Die Geschichte von Bea ist schlicht und realistisch gehalten. Die Kostüme und die Requisiten widerspiegeln das Alltägliche. Zwischen den Theaterszenen erscheinen Videosequenzen. «Die Autorin hat ein wildes Potpourri an Zwischenspielen geschrieben, die sich deutlich vom realistischen Stil der Theaterszenen unterscheiden», sagt die Dramaturgin Anastasia Ioannidis.
«Bea ist ehrgeizig, selbstbewusst in ihren Entscheidungen und nicht besonders kompromissbereit», sagt Sarah Winker, Kommunikation Theater Kanton Zürich. Die Dramaturgin ergänzt: «Bea profitiert vom neuen Modell – dem Rating – und verinnerlicht es zunehmend.» Sie werde teilweise unbewusst infiltriert. Ihre Freundin Char erlebt das Gegenteil. Ein schlechtes Rating verunmöglicht ihr eine berufliche Karriere ohne fremde Hilfe. Die Blutwerte von Beas Freund Aaron scheinen hervorragend zu sein; er muss sich keine Sorgen machen. Unscheinbarer zeigt sich David. Er lässt sich vom Rating nicht beeindrucken. Ioannidis: «Er ist die einzige Figur im Stück, die für sich herausgefunden hat, was ihn glücklich und zufrieden macht.»
Road, die Autorin, kritisiert unter anderem den Umgang der Gesellschaft mit dem technologischen Fortschritt. Algorithmen und Künstliche Intelligenzen errechnen eine mögliche Zukunft. Im Stück entwickle sich, so Ioannidis, «das Rating-Modell von einer neuen, angeblich guten Idee zu einer alles dominierenden Diktatur». Technologische Errungenschaften seien von den Menschen erfunden worden. «Also hat die Menschheit auch die Möglichkeit oder sogar die Pflicht, diese Entwicklungen zu prüfen.» Des Weiteren geht es um den «Optimierungswahn». Über Bluttests und Wahrscheinlichkeitsrechnungen erhoffen sich die Menschen Prognosen zu ihrer Gesundheit.
Jan Gubser
www.theaterkantonzuerich.ch
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