Peter Widmer
und Peter Uhlmann wurden überrascht.
Drei von ihren Fachgebieten besessene Experten haben das ultimative Farbenbuch publiziert. Trotz des hohen Preises sind 8000 Exemplare verkauft worden.
Kulturelle Leistung «Juraj Lipscher und ich sind beglückt,» sagt der Grafiker Hanspeter Schneider, der sein bekanntes Atelier in Elsau vergangenes Jahr an seine langjährige Mitarbeiterin Natascha Schwank übergeben hat. «Schade nur, dass unser dritter Autor, der KunstmalerundFarbenforscher Stefan Muntwyler, diesen Erfolg nicht mehr erleben durfte.» Der Chemiker und Lehrer Juraj Lipscher und Hanspeter Schneider haben das Buch seit Herbst 2023 an mehr als zwanzig öffentlichen Veranstaltungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz präsentiert. Eine solche Auflage ist für ein so speziellesKunstbuchindieserPreisklasse auch nach internationalen Massstäben ungewöhnlich hoch.
Der Grund für den Erfolg ist wohl, dass Fachleute und Laien darin gleicherweise die wissenschaftlich verbürgten Grundlagen der Farbenlehre – Chemie, Physik, Kunstgeschichte – ingut lesbarer Form kennen und einordnen lernen. Insgesamt 367 Pigmente und Farbstoffe werden lexikalisch beschrieben; die Grundstoffe werden abgebildet und mit handgefertigten Farbmustern illustriert, von Neapelgelb bis Kirschkernschwarz. Beigegeben sind berühmte Beispiele vonGemäldenausallenEpochen, welchedietypische Verwendung des jeweiligen Pigments illustrieren und so die Welt der Farbmittel mit der Kunstgeschichte verbinden. Eine Kunsthistorikerin und ein Chemiker haben zudem die Pigmentanalysen von berühmten Gemälden – von Giotto bis Jackson Pollock – ausgewählt und beschrieben. Der umfangreiche Textteil wurde von 25 Fachautorinnenund- autoren bearbeitet, die sich ohne Rücksicht auf Zeitverluste engagiert haben. Es handelt sich um Restauratoren, Chemikerinnen, Archäologen, Kuratorinnen, Architekten, Historikerinnen, Künstler, Kulturwissenschafter… Die drei Hauptautoren haben irgendeinmal aufgehört, die Arbeitsstunden zu zählen. Es dürften total deren 15000 gewesen sein.
DievondiesemStoffundvondenAutoren verlangte extreme Druckqualität erforderte besondere Anstrengungen. Da es um die genaue Abbildung feinster Farbvarianten ging, originalgetreu und in höchster Leuchtkraft, stiess der übliche Vierfarbendruck an seine Grenzen. Die Autoren haben in jahrelanger Teamarbeit den Farbraum erweitert. Durch die Zugabe von Zusatzfarben konnte die typische Leuchtkraft der Farben (zum Beispiel Dunkelblau für Lapislazuli) erreicht werden. Für diese Farbraumerweiterungen wurden insgesamt sieben Zusatzfarben verwendet; ferner sechs Leuchtfarben und ein warmes Dunkelgrau für den Text, das besser zum farbigen Umfeld passt als das übliche Schwarz.
Dies bedeutet: Einige Bögen dieses Buches sind dreimal durch die Druckmaschine mit ihren fünf Farbwalzen gelaufen, ein 18-Farben- Druck also! Allein schon die Übereinstimmung der Druckflächen bei jedem Durchgang, der gefürchtete «Passer», war extreme Uhrmacherarbeit, bei der sich die Profis derDruckerei Werk zwei (Konstanz) bewährten. Für einmal konnten sie die ganze Palette ihrer Kunst anwenden, die hier keine «schwarze», sondern eine einmalig vielfarbige gewesen ist war. Solche Herausforderungen sind bei den üblichen, von Terminen und Kosten getriebenen Druckarbeiten kaum mehr möglich. Auch die Auftraggeber, insbesondere Hanspeter Schneider und Natascha Schwank, haben wochenlang an der Druckmaschine gestanden und zusammen mit den Druckern die Ergebnisse laufend optimiert. Schon vor zehn Jahren wurde ein ähnliches Buch («Farbpigmente, Farbstoffe, Farbgeschichten», Elsau 2010) herausgebracht, vondemzwei Auflagen von insgesamt 8000 Exemplarenverkauftwerdenkonnten. Der Band wurde als bestverkauftes Schweizer Fachbuch seiner Klasse ausgezeichnet. Das jetzt vorliegendeWerk ist aber eine kompletteNeufassung, die auch alle seitherigen neuen Forschungserkenntnisse vorstellt.
Die Sachkosten, vor allem die aufwändigen und anspruchsvollen Druckarbeiten in der Höhe von rund einer halben Million Franken wurden teilweise von Freunden vorgeschossen. Inzwischen ist auch finanziell der Erfolgsfall eingetreten, und es wird an einer englischen Version gearbeitet. Doch wer braucht eigentlich so etwas? In erster Linie alle, die im Umfeld von Kunst, Kunsthochschulen und Museen tätig sind; Restauratoren, Architekten, Designer und Kunsthandwerker. AberauchKunstfreundeund- sammler ausdembreiten Publikum werden Gewinn und Genuss aus dem ungewöhnlichen Werk ziehen.
Karl Lüönd
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