Peter Widmer
und Peter Uhlmann wurden überrascht.
Gäbe es in Winterthur ein Stadtkulturerbe, das von Susi und Max Kühni mit viel Herzblut geführte Paddy O'Brien's Pub müsste wohl Teil davon sein.
Weisch no Seit dem 2. Dezember 1994 führen Max und Susi Kühni – heute zusammen mit den Söhnen Sven und Kevin – das Paddy O'Brien's Pub. Zeit für einen Blick zurück.
Max Kühni holt zu Beginn seiner Rückschau etwas aus: 1984 hatten er und Susi beim damaligen Kino Talgarten das gleichnamige Restaurant übernommen. Als sie eines Tages in der Wirtezeitung von einer Studie lasen, die besagte, dass rund 70 Prozent aller traditionellen Gaststätten bis ins Jahr 2000 verschwinden würden, mussten sie sich eingestehen: «Wir zählen nicht zu den anderen 30 Prozent.»
Irgendwann Ende der 80er-Jahre kehrten bei den Kühnis zwei Iren ein, die sich bei Rieter weiterbilden liessen – Josef und Tony. «Wir hatten uns nur mit Händen und Füssen unterhalten können, zu schlecht war mein Englisch. Aber irgendwie hatten wir uns trotzdem sofort gut verstanden», lacht Max Kühni. So gut, dass die Kühnis mit ihren damals zwei kleinen Söhnen und einer befreundeten Familie 1991 zu Camper-Ferien nach Irland aufbrachen. Dort trafen sie auch Tony wieder, der ihnen zuvor den Vermieter des Wohnmobils in Tullamore vermittelt hatte. «Dublin war damals trostlos, es stank nach Benzin, war laut. Ich wäre am liebsten mit dem nächsten Flieger wieder nach Hause geflogen», blickt Kühni zurück. Als die beiden Familien im Wohnmobil immer weiter nach Westen fuhren, heiterte sich seine Laune aber zusehends auf. «Die wunderbare Landschaft und nicht zuletzt auch der gastfreundliche Charme der buchstäblich alt riechenden Pubs, die für die Gäste mehr ein Zuhause als Beizen waren, wuchsen uns immer mehr ans Herz. Es war plötzlich einfach nur geil!»
Ein Jahr später bereisten die Kühnis abermals den Westen Irlands. Sie trafen Tony wieder. Sie redeten mitunter über die schwierige Zeit im «Talgarten», als Tony aufstand und wetterte: «Why don't you change your f*** restaurant for an Irish pub?» Da war es passiert. «Susi und ich hatten uns nur angeschaut, wir wussten in dem Moment beide: Das ist es!», so Max Kühni. Alle Hebel wurden nach der Rückkehr in Bewegung gesetzt, erste Skizzen erstellt. Wenig später reiste das Paar für ein Meeting bei «The Irish Pub Company» abermals nach Dublin. Max Kühni erinnert sich: «Sie setzten uns an einen langen Tisch mit Verkäufern, Finanzberatern und einem Innenarchitekten und wollten uns sofort mit Verträgen ködern, uns einen Boden verkaufen, der allein schon 8000 Pfund (damals rund 17 000 Franken) gekostet hätte.» Max zog die Handbremse. Die Kühnis verliessen die Sitzung vorzeitig und flogen noch gleichentags enttäuscht nach Hause.
Unverhofft klingelte am folgenden Tag – einem Donnerstag – das Telefon. Am anderen Ende war Seay Ledwidge, der Innenarchitekt der Pub-Company. «Er meinte, er hätte total verstanden, dass wir tags zuvor die Übung abgebrochen hätten, er werde bei der Company kündigen und für uns in Eigenregie ein Pub nach unseren Wünschen bauen. Ich war zuerst völlig verblüfft. Dann sagte ich ihm, wir seien dabei, jedoch nur, wenn er so rasch wie möglich zur Besprechung nach Winterthur komme», so Kühni. Ledwidge stand zwei Tage später vor dem «Talgarten». Am Samstagabend schlossen sich die Kühnis zusammen mit dem Innenarchitekten nahezu 24 Stunden im Lokal ein. Der Architekt erstellte anschliessend erste Pläne. Mit diesen in der Hand klapperte Max Kühni die hiesigen Banken ab. Vergeblich, keine wollte einen Kredit geben. «Als wir schon fast verzweifelten, gab mir mein Vater einen Tipp. Er meinte, ich solle mich direkt bei Theo Prinz in der Volksbank melden», erzählt Kühni weiter.
Und siehe da, binnen zehn Minuten stand der benötigte Kredit fest. «Es war unglaublich. Beim Abschied sagte mir Theo Prinz dann noch, ‹denken sie daran, das nächste Mal gewinnen wir›. Was dies zu bedeuten hatte, erfuhr ich erst im Januar darauf, als ich meine EHCW-Junioren in Uzwil coachte.» Plötzlich tippte dort in der Eishalle ein gut gekleideter Mann Kühni an die Schulter – es war Theo Prinz. Kühni vermutet heute, dass der Bankdirektor bereits bei der Kreditverhandlung gewusst hatte, dass er Eishockeytrainer war. Es war ihm daher fast schon peinlich, dass an jenem Abend sein EHCW-Team gegen Uzwil, wo beide Söhne von Prinz spielten, 4:1 gewann. Auf den Kredit hatte dies aber keinen Einfluss.
«Aber», sagt Max Kühni noch, «allein mit dem Kredit der Volksbank war noch nichts fix.» Denn als Architekt Ledwidge zur Vertragsunterzeichnung nochmals nach Winterthur gekommen war, hatte Kühni wohl die Kreditzusicherung, der Architekt aber noch keine Garantie seiner Bank. «Einen Moment lang hatte ich Bedenken, dass unser Traum zum Desaster werden könnte, den «Talgarten» hatte ich in den Sommerferien 1994 ja bereits ausgeräumt.» Obwohl er keinerlei Sicherheiten hatte, bot der Pub-Architekt kurz vor seinem Rückflug Max Kühni aber spontan den Handschlag an – der Deal war somit perfekt. Keine drei Monate vergingen danach, bis ein riesiger mit der gesamten Pub-Einrichtung beladener LKW mit irischen Kontrollzeichen eintraf. Tag und Nacht wurde danach gerackert. Sieben Iren und neben den Kühnis halfen auch EHCW-Kollegen tatkräftig mit. Am 2. Dezember 1994 war es so weit. Im Paddy O'Brien's-Pub wurde das erste Guinness gezapft. Mit David Ganly stand auch gleich ein Ire hinter dem Tresen. Die Tradition, dass irische Barkeeper dem Pub zusätzlich Authentizität verleihen, hält bis heute an. Unter einigen anderen ist beispielsweise Dave O'Reilly seit 29 Jahren Teil der «Paddy's»-Familie. Zahlreiche irische Bands spielten und spielen im «Paddy's» bis heute regelmässig auf. Im Gegensatz zum 25-Jahr-Jubiläum wird das 30-jährige jedoch nicht offiziell gefeiert. «Vielleicht feiern wir dann das 33-jährige», scherzt Max Kühni und ergänzt: «Dann werden aber meine beiden Söhne Sven und Kevin dafür zuständig sein.»
Die Übergabe des Pubs nennt Kühni denn auch eine der letzten grösseren Herausforderungen, ehe er es etwas ruhiger angehen will. Schelmisch sagt er: «Ich freue mich schon, wenn ich von Susi keinen Rüffel mehr kriege, weil ich statt im «Paddy's»-Polo-, in einem etwas ausgewaschenen Shirt im Pub vorbeischauen werde.» Er sei einfach nur zufrieden und glücklich, wie sein Leben verlaufen sei, mit seiner Familie, den wunderbaren Enkelkindern, aber eben auch mit dem Werdegang des Pubs. In seiner bescheidenen Art sagt der 70-Jährige noch: «So erfolgreich zu sein, hätten wir uns nie erträumt, uns hätte auch weit weniger gereicht, um happy zu sein.» ⋌
⋌George Stutz
Wenn es das Paddy‘s nicht schon so lange gäbe, müsste man es noch heute neu erfinden. Alles Gute und herzliche Grüsse. Jean-Pierre Mosimann
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