Irene Mazza
singt und erzählt Geschichten im Museum Schaffen.
Die weissen Parkfelder verschwinden aus der Stadt, sie werden Blau. Bild: gs
Um die Quartiere vom Verkehr zu entlasten, führt die Stadt nun fast flächendeckend die blaue Zone ein. Es gebe keinen Abbau von Parkplätzen.
Mobilität Die Quartiere von Winterthur leiden, sie sind krank. Die Diagnose: verstopfte Infrastruktur. Pendler besetzen die Parkplätze, indem sie am Morgen ihr Auto auf den weissen Parkfeldern abstellen und diese erst zum Feierabend wieder freigeben. Anwohner klagen über fehlende Parkplätze. Der Ärger ist gross. Nun hat die Stadt Winterthur ein Heilmittel angekündigt. Um die Wohnquartiere vor dem übermässigen Verkehr zu entlasten, führt die Stadt flächendeckend eine blaue Zone ein. Die 2300 weissen Parkplätze der insgesamt 5600 Parkplätze in der Stadt fallen weg. Sie werden alle blau überstrichen. Das neue Regime gilt ab dem 1. September, wie die beiden Stadträtinnen Christa Meier und Katrin Cometta an einer Medienorientierung erklärten.
Das Heilmittel ist nicht neu, es wurde bereits erprobt. Die Stadt Zürich kennt das System seit 1989. Auch Winterthur hat Erfahrungen gesammelt. In den Quartieren Neuwiesen-Blumenau und Oberwinterthur/Zinzikon hat der Stadtrat bereits 2021 ein Pilotprojekt lanciert und blaue Zonen eingeführt. Die Erfahrungen damit seien durchaus positiv. «Ein Wegfall von quartierfremden Autos ist deutlich spürbar», sagte Christa Meier, Vorsteherin Departement Bau und Mobilität. 2017 hat der damals bürgerliche Stadtrat eine flächendeckende blaue Zone beschlossen, die dann im September 2019 vom Stadtparlament goutiert wurde, das einen Kredit von 700 000 Franken bewilligte. Die Umsetzung kostet mit 1,2 Millionen Franken nun deutlich mehr.
Im Mai hat die Stadt Winterthur dazu eine Reihe von neuen Verkehrsanordnungen publiziert. 19 Parkzonen wurden definiert. Gegen den generellen Entscheid für eine blaue Zone gingen laut Meier keine Rekurse ein. In drei Zonen – Rosenberg, Dättnau-Steig und Oberseen – gab es Rekurse. Dabei ging es um die Anordnung der Parkplätze, aber auch um die Sorge, dass die Stadt Parkplätze abbaue. Christa Meier verneinte. «Die Gesamtzahl der Parkplätze wird sich kaum verändern. Das war auch nicht das Ziel.» Allerdings würden je nach Strasse einzelne Parkplätze tatsächlich wegfallen. «Wenn er die Sicherheit gefährdet, weil der Parkplatz etwa die Sicht zu stark einschränkt», so Meier. Das neue Parkregime wird auch in den Quartieren eingeführt, wo es Rekurse gab. Bis die Situation rechtlich geklärt ist, gilt hier dennoch die blaue Zone. Das bedeutet: Ohne eine andere Bewilligung dürfen Fahrzeuge von Montag bis Samstag zwischen 8 und 11.30 Uhr sowie von 13.30 bis 18 Uhr eine Stunde lang parkiert werden. An Sonntagen muss keine Parkscheibe gestellt werden.
Anwohnende können für eine Jahrespauschale von 710 Franken eine Kombikarte (Tages- und Nachtparkgebühren) beantragen. Dazu ist ein Nachweis nötig, dass kein eigener Parkplatz zur Verfügung steht. Für Fahrzeuge, die bisher nur Nachtparkgebühren (660 Franken) bezahlten, ist neu eine Kombikarte nötig, was einen Aufpreis von 50 Franken bedeutet. Auch Besucher werden künftig zur Kasse gebeten. Eine Besucherparkbewilligung für die blaue Zone kostet in Winterthur zehn Franken pro Tag. Erhältlich sind die Bewilligungen wie bisher über die Handy-App Parkingpay oder via Schalter der Stadtpolizei.
Von der neuen Verkehrsregel gibt es zwei Ausnahmen: Die Zentrumszonen Altstadt und Neuhegi-Grüze sowie die Aussenwachten ohne Bahnanschluss. Hier ändert sich vorerst nichts.
Eine Besonderheit sind Quartierstrassen, in denen heute das sogenannte «Freie Parkieren» gilt und markierte Parkfelder fehlen, wie etwa in der Eichliackerstrasse. Auch hier gilt ab dem 1. September die blaue Zone. Laut Stadträtin Katrin Cometta, Vorsteherin des Departements Sicherheit, werde die Polizei in den ersten Wochen mit Augenmass agieren. Sie hält aber fest: «Die Polizei wird ab dem 1. September konsequent die Einhaltung kontrollieren und auch büssen.» In den ersten Wochen werde die Polizei bei Fehltritten Flyer stecken und die Lenker auf die blaue Zone aufmerksam machen.
Beim lokalen Gewerbe nimmt man den Wechsel grösstenteils gelassen. «Ob weisse oder blaue Parkfelder, das spielt für uns keine grosse Rolle», sagt Bert Hofmänner, Vizepräsident des KMU-Verbands Winterthur und Umgebung. «Für uns ist wichtig, dass es genügend Platz im Strassenraum hat, damit das Gewerbe seiner Aufgabe nachkommen kann.» Viel mehr Sorgen macht dem Gewerbe, dass es schwierig bis unmöglich ist, für Mitarbeitende Parkierbewilligungen zu bekommen. «In Zeiten des Fachkräftemangels ist dies ein nicht unerheblicher Standortnachteil», so Hofmänner.
Sandro Portmann
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