Andrea Lutz
Ist Co-Kuratorin der Ausstellung zu Vallotton.
6,9 Prozent des Zentrumslastenausgleich muss für Kultur eingesetzt werden, davon profitieren Anlässe wie etwa Afropfingsten.
Bürgerliche hinterfragen den Zentrumlastenausgleich, von dem auch die Stadt Winterthur profitiert. Es sei auch ein Vorteil, eine Stadt zu sein.¶
Stadtfinanzen 84, 86 und 88 Millionen Franken: Die Beiträge an die Stadt Winterthur aus dem kantonalen Ausgleichstopf für Zentrumslasten sind aufgrund der Teuerung in den letzten drei Jahren jeweils um zwei Millionen Franken gestiegen. Mit diesem Instrument aus dem innerkantonalen Finanzausgleich sollen die Mehrkosten, die Städte als Zentrum haben, ausgeglichen werden. Zum Vergleich: Zürich erhielt im letzten Jahr 422 Millionen Franken. Winterthur profitiert unter dem Strich aber deutlich mehr vom Finanzausgleich: Rechnet man das Geld aus dem Ressourcenausgleich hinzu, erhält Winterthur aktuell 229 Millionen Franken, Zürich als Geber-Gemeinde noch 37 Millionen Franken.
Besonders der Zentrumslastenausgleich ist der SVP und FDP im Kanton ein Dorn im Auge. Im vergangenen Sommer hat die FDP ein Postulat eingereicht und eine Überprüfung des Systems gefordert. «Der Zentrumslastenausgleich ist in den 90er Jahren entstanden, als die Grossstädte unter den finanziellen Herausforderungen einer A-Stadt litten (Arme, Arbeitslose, Alte und Alkoholiker Anmerkung der Redaktion). Seither hat sich aber einiges geändert, die grossen Städte haben sich sehr erfolgreich entwickelt. Deshalb denke ich, dass die Parameter von damals nicht mehr stimmen. Ja, es gibt eine Zentrumslast, aber offensichtlich auch einen erheblichen Zentrumsnutzen. Es ist unser Anliegen, dass nun überprüft wird, ob die Höhe der Beiträge noch gerechtfertigt ist», sagt FDP-Kantonsrat Mario Senn.
Als das Postulat «Braucht der innerkantonale Finanzausgleich eine Auffrischung?» im Mai 2024 eingereicht wurde, drückte der Winterthurer Kantonsrat Florian Heer (Grüne) den Knopf und forderte damit die Diskussion. «Ich wollte nicht, dass dieses wichtige Thema einseitig und ohne Diskussion überwiesen wird», wie er sagt. Er sei nicht grundsätzlich gegen eine seriöse Überprüfung des Finanzausgleichs. «Es gibt aber eine grosse Gefahr, dass hier politisch argumentiert wird und nicht sachlich», so Heer. Er befürchtet, dass die Bürgerlichen die Städte damit abstrafen wollen, weil ihnen deren Politik zuwiderläuft. «Der Ausgleich ist kein Selbstzweck, das System ist fein austarierte», so Heer. Sicher, die Städte als Zentrum hätten auch Vorteile, «aber die Argumente, dass die Städte die Profiteure sind, das stimmt einfach nicht, man schaue nur schon die Sozialhilfequoten an.» Die Debatte um den Zentrumslastenausgleich steht noch auf der Traktandenliste im Kantonsrat, diskutiert wird aber nicht vor Mai.
Kritisch verfolgt auch der Winterthurer GLP-Kantonsrat Urs Glättli die Debatte. «Winterthur wird sich warm anziehen müssen», sagt er im Gespräch. Auch er sieht ein Städte-Bashing der SVP als Manöver hinter der aktuellen Debatte. Er sagt aber auch: «Die Überprüfung kann eine Chance für Winterthur sein. Das Ziel muss sein, dass die Leistungen der Kulturstadt Winterthur besser aus dem Zentrumslastenausgleich entgolten werden.» Denn im Bereich Kultur erhalte die Stadt Zürich pro Kopf doppelt mehr Beiträge als die Kulturstadt Winterthur und zusätzlich noch mehr als 90 Millionen jährlich das Opernhaus. Es liege nun am Winterthurer Stadtrat, sich verstärkt beim Regierungsrat einzubringen.
Für die Stadt Winterthur hat der Lastenausgleich finanziell ein grosses Gewicht. «Von den gesamten Einnahmen aus Steuern und Finanzausgleich entfielen im Jahr 2024 rund 12 Prozent auf den Zentrumslastenausgleich. Er trägt also massgeblich dazu bei, dass die Stadt Winterthur ihre Aufgaben als Zentrumsstadt für die gesamte Region wahrnehmen kann», heisst es bei der Stadt auf Anfrage. Zum Vorstoss habe die Stadt noch keine offizielle Haltung, sagt Stadtrat Kaspar Bopp. Die Beratung dazu folge erst. «Der Stadtrat wird sich in den anstehenden Prozessen und Vernehmlassungsverfahren entsprechend einbringen», so Bopp.
Nutzen berücksichtigen Brisanz erhielt das Thema am vergangenen Montag im Kantonsrat. Die SVP, GLP und FDP haben eine Motion eingereicht. Sie fordern, dass künftig neben den besonderen Lasten, auch der Nutzen einer Stadt aufgezeigt wird. «Auf der Basis eines von Regierungsrat erarbeiteten Kriterienkatalogs sollen einmal pro Legislatur die effektiven Zentrumslasten und Zentrumnutzen erhoben werden. Die Städte Zürich und Winterthur sind zur Mitwirkung verpflichtet», heisst es in der Motion.
Sandro Portmann
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