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«Eine Portion Angst schützt manchmal besser als eine schusssichere Weste», sagt Polizistin Katharina Steiner. Bild: cnb
Katharina Steiner war ein ganzes Berufsleben lang bei der Stadtpolizei Winterthur im Einsatz. Nun geht die erste Polizistin der Stapo in Pension.
Stadtpolizei Es ist gar nicht so einfach, einen Termin mit Katharina Steiner zu vereinbaren, denn sie hat viel zu tun. «Ich habe mir vorgenommen, keine Pendenzen zu übergeben und alles abzuarbeiten.» Seit dem Umzug der Polizei ins neue Gebäude an der Obermühlestrasse leistet Steiner Schalterdienst, diese Tätigkeit übte sie bereits am Obertor aus. «Man weiss nie, was einen erwartet.» Bis Mitte 2019 fuhr Steiner Streife, dann wechselte sie aus gesundheitlichen Gründen in den Innendienst.
Steiner ist die erste Polizistin der Stadtpolizei Winterthur, die während einem ganzen Berufsleben als Polizistin im Einsatz stand. Sie lässt sich nun aus persönlichen Gründen mit 58 Jahren frühpensionieren.
Der Händedruck ist fest, der Blick direkt. Mit raschen Schritten schreitet sie voraus ins Sitzungszimmer. «Mönd Sie nöd schriibe», wird sie das eine oder andere Mal während des Gespräches sagen, um dann trotzdem weiter zu erzählen und sogleich wieder zu relativieren, wenn Informationen von der Bevölkerung verzerrt wahrgenommen werden könnten.
Am 1. April 1987 trat Katharina Steiner in die Stadtpolizei Winterthur ein und absolvierte die Polizeischule an der Badgasse. «Dies war der erste Klassenzug der Polizeischule, an dem Frauen zugelassen waren», erinnert sich Steiner. Damals habe es schon Bedenken gegeben, ob Frauen dem Beruf gewachsen seien, vor allem auf körperlicher Ebene. «Ja, ich war eine Pionierin», sagt sie. Heute seien die Bedenken ausgeräumt.
Die Vereidigung fand im März 1988 statt. Wie alle damaligen Absolventen, es waren lediglich drei Frauen dabei, wurde sie einer Dienstgruppe der Sicherheitspolizei zugeteilt. Diese war für den Streifendienst zuständig. «Wir waren mit den unterschiedlichsten Einsätzen konfrontiert, seien es Verkehrsunfälle, Einbrüche, Straftaten gegen Leib und Leben, ausgelöste Alarmanlagen und vieles mehr.» Oft flossen eigene Beobachtungen ein. «Man macht seine Büez», sagt Steiner pragmatisch.
Bevor die Spitex so gut ausgebaut war, kamen oft Anrufe, wenn zum Beispiel Senioren gestürzt waren. Da half die Polizei, die Leute «wieder aufzustellen», obwohl es nicht zur Kernaufgabe gehörte. Diese Personen waren sehr dankbar. «Wir sind auch Dienstleister und wenn sonst niemand da ist, um zu helfen, dann hilft die Polizei.»
Der Berufswunsch Polizistin entstand in der Teenager-Zeit. Steiner besuchte einen Nothelferkurs der Kantonsschule, der von einem Sanitätsspezialisten der Stapo gegeben wurde. So kam sie in Kontakt mit der Polizei. «Der Funke zündete.» Als Kind hatte Steiner noch vorgehabt, einen Bauernjungen zu heiraten und Landwirtin zu werden.
Damit es mit dem Polizeiberuf klappte, brauchte es einen Schubs des Vaters. Steiner war in Kanada, als die Stelle der Polizeischule ausgeschrieben war. «Wenn du Polizistin werden willst, musst du nach Hause kommen», sagte der Vater, worauf Steiner in den nächsten Flieger stieg, um sich zu bewerben. «Damals brauchte es einen handgeschriebenen Lebenslauf», erinnert sich Steiner. Zu Beginn am Polizeiposten Obertor gab es weder getrennte Garderoben noch Duschen. Diese Mängel seien aber rasch behoben und auch die Ausrüstung mit der Zeit an die weibliche Anatomie angepasst worden. Benachteiligungen habe sie selten erfahren. «Egal ob Mann oder Frau, man darf nicht Schiss haben.» Wobei: «Eine gewisse Portion Angst ist die bessere Lebensversicherung als eine schusssichere Weste.» Es bringe nichts, sich in Gefahr zu bringen und beispielsweise alleine ins Dunkel zu rennen. Steiner durchlief verschieden Stationen, so war sie 2005 im Spezialdienst, wo sie Fahndungsaufgaben in Zivil übernahm.
«Ich habe mich im Beruf immer wohlgefühlt», sagt Steiner. Früher wurden in Winterthur auf Druck der grossen Arbeitgeber der Industrie die Trottoirs jeweils um 23 Uhr hochgeklappt. «Heute macht sich die 24-Stunden-Gesellschaft bemerkbar.» Während früher Block und Bleistift zum Einsatz kamen, stehen heute Tablets zur Verfügung. Was jedoch viel mehr ins Gewicht falle, sei der menschliche Umgang. «Ganz allgemein hat der Respekt von Mensch zu Mensch abgenommen.» Dies habe einen massiven Einfluss auf die Polizeiarbeit. «Die Fälle pro 1000 Einwohner haben klar zugenommen. Auch leben mehr Menschen in der Schweiz und in Winterthur.» Demgegenüber sei das Korps nur marginal gewachsen.
Zu den vielen Führungswechseln bei der Stadtpolizei äussert sich Steiner zurückhaltend: «Eigene Abwanderungsgelüste hat es schon gegeben.» Als sie aber 2012 einer «genialen Gruppe der Sicherheitspolizei» zugeteilt wurde, war die Freude an der Arbeit wieder voll da. Generell habe sie mit den allermeisten Polizisten und Polizistinnen sehr gerne zusammengearbeitet und natürlich auch mal gescherzt.
Nach der Pension sind zuerst Arbeiten rund ums Haus angesagt. «Mein Mann und ich haben einen kleinen Rebberg im Zürcher Weinland, ein schönes Hobby.» Eine Tradition sei es, an Heiligabend auch bei garstigem Wetter mindestens zwei bis drei Rebstöcke zu schneiden. «Danach geniessen wir jeweils im Rebhüsli ein Fondue.»
Claudia Naef Binz
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