Jorge Oswald
ist Filmemacher, sein Road-Movie kommt ins Kino.
«Vielleicht fehlen noch immer weibliche Vorbilder», so Alyssia Kugler. Bild: zVg
Der Weltfrauentag wurde 1911 als Zeichen der Emanzipation eingeführt und soll auch heute noch daran erinnern, wie wichtig Gleichberechtigung ist.
Wirtschaft Als junge weibliche Führungskraft ist Alyssia Kugler (27) oft in der Minderheit. Während die Akzeptanz für Frauen in Führungsrollen und Männerdomänen zwar steigt, geht der Wandel hin zu mehr Gleichheit weiterhin nur langsam vorwärts.
Sie sind Geschäftsführerin bei den «Startup Nights». Wie fühlt es sich an, als junge Frau eine solche Rolle in der Start-up-Szene zu übernehmen?
Alyssia Kugler: Es gibt zwar immer noch zu wenig Frauen in der Start-up-Szene. Aber ich erlebe die Kommunikation mit Männern auf Augenhöhe. Ich fühle mich genauso ernst genommen wie meine männlichen Kollegen. Das mag an meiner Generation liegen – ich kenne auch Frauen in konservativeren Branchen, die andere Erfahrungen machen.
Ja, wir sind schon noch in der Unterzahl. Oft werden junge Frauen in Führungspositionen als Aushängeschilder präsentiert – man sieht immer dieselben Gesichter. Das ist auf der einen Seite gut, weil Vorbilder wichtig sind und die wenigen die es gibt, nehmen diese Rolle wahr, indem sie präsent sind. Andererseits wünschte ich mir, dass das keine Besonderheit mehr wäre.
Ja, Diversität wird immer stärker ins Bewusstsein gerückt. Auf Investoren-Events erlebe ich öfter, dass Diversität in Teams als Vorteil oder gar als Investment-Kriterium gesehen wird. Es geht langsam in die richtige Richtung und ist schön zu sehen, dass Diversität als wichtiges Erfolgskriterium anerkannt wird.
Was sind die grössten Herausforderungen als weibliche Führungskraft in der Start-up-Welt?
Für viele Frauen ist das Thema Selbstdarstellung eine Herausforderung. Beim Pitchen zum Beispiel sehe ich oft, dass Frauen gern den Männern im Team den Vorrang geben, während Männer gern als Leader auftreten. Ausserdem sind viele Frauen eher als Selbstständige im Dienstleistungssektor unterwegs, weniger in der klassischen Start-upSzene, die technologisch geprägt und eher risikobehaftet ist.
Woher kommt Ihrer Meinung nach diese Zurückhaltung bei Frauen?
Frauen sind häufig weniger risikofreudig und denken langfristiger. Hinzukommen Aspekte wie der Gedanke an eine mögliche Familienplanung. Wenn man als Frau eine Firma gründet, fragen sich viele im Hinterkopf: Wie lange kann ich das machen, bevor vielleicht eine Pause kommt? Kann ich meinem Kind dann gerecht werden? Diese Fragen stellen sich auch Investoren.
Warum gibt es noch so wenig Frauen, die auch selbst Start-ups gründen?
Das kann viele Gründe haben. Erstens sind viele Start-ups technologisch ausgerichtet, und schon die entsprechenden Studiengänge sind männlich dominiert. Zudem scheuen viele Frauen das Rampenlicht, das damit verbunden ist, ein Start-up zu führen. Es braucht Mut, und vielleicht fehlen noch immer weibliche Vorbilder, die zeigen, dass das machbar ist.
Gibt es Vorbilder, die Sie inspiriert haben?
Es gibt viele Frauen, die enorm viel leisten und Mut beweisen. Laura Matter beispielsweise, die ohne Studium ein Start-up gründete, beeindruckt mich sehr. Sie hatte den Mut, eine Dating-App in einem bereits hart umkämpften Markt zu platzieren, was in der Schweiz zusätzlichen Widerstand bedeutet. Auch Yasemin Tahris inspiriert mich. Sie hat eine Plattform für KI-unterstützte Personalentwicklung gegründet und führt ihr Team sehr vorbildlich mit Ruhe und Einbezug aller Menschentypen und Rollen – das zeigt für mich, was gute Führung ausmacht.
Was ist Ihnen denn in Ihrer Rolle als Führungskraft besonders wichtig?Sie sind ja Teil eines Teams von 75 Freiwilligen.
Für mich steht Zuverlässigkeit an erster Stelle, gepaart mit proaktiver und ehrlicher Kommunikation. Wir sind alle verschiedene Charaktere und dennoch alle sehr professionell. Ich möchte, dass mein Team auch in schwierigen Momenten konstruktiv bleibt und nach vorn schaut, anstatt etwa in Schuldzuweisungen zu verharren. Fehler passieren, und dann geht es darum, gemeinsam Lösungen zu finden und weiterzumachen.
Wie schaffen Sie es, die Motivation von allen aufrechtzuerhalten?
Das ist tatsächlich eine Herausforderung! Mit einer klaren Rollenverteilung und Mitgestaltungsmöglichkeiten lässt sich jedoch viel erreichen. Ich gebe gern einen Vertrauensvorschuss und musste zusätzlich lernen, dass ein gewisser Kontrollverlust in diesem Set-up normal ist. Ich kann nicht überall dabei sein, und das muss ich akzeptieren. Ausserdem haben wir mit den Jahren eine zusätzliche Führungsebene eingeführt, die hilft, dass alles bei den «Startup Nights» läuft und ich nicht die Ansprechperson von 75 Personen sein muss.
Was ist Ihre Vision für die «Startup Nights»?
Mir ist wichtig, dass wir uns mehr auf die Bedürfnisse verschiedener Zielgruppen fokussieren und unser Angebot auf deren spezifische Ziele ausrichten. Ausserdem haben wir zwar viele Angebote, aber die Kommunikation ist oft verstreut. Es wäre ideal, wenn wir ganzjährig Mehrwert für die überregionale Start-up-Community schaffen könnten – nicht nur an den «Startup Nights», sondern auch durch andere Events und Netzwerkangebote.
⋌Interview: Tina Sprung
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