Peter Widmer
und Peter Uhlmann wurden überrascht.
Nach der Party zum Jubiläum reist der Winterthurer KMU-Verband mit Historiker Peter Niederhäuser in der Geschichte zurück.
Zeitreise Die grossen Geburtstage bringen mit sich, dass der Jubilar den Blick auch einmal zurückwendet. Das tat auch der KMU-Verband Winterthur und Umgebung am vergangenen Dienstagabend. Er wollte wissen, wie Winterthur vor 150 Jahren ausgesehen hatte, als der Gewerbeverband gegründet wurde. Für eine so lange Reise braucht es einen guten Reiseleiter. Den haben die Gewerbler mit Historiker und Autor Peter Niederhäuser gefunden. «Es ist der Traum von einem Historiker, das Rad der Zeit zurückzudrehen», sagte er und nahm die Zuhörer mit auf die Reise.
Es war eine Zeit des Aufbruchs: Die Zahl der Einwohner hatte sich innerhalb von zwanzig Jahren verdoppelt. 1870 lebten knapp 10 000 Menschen in Winterthur. «Es ist eine spannende Zeit. Winterthur ist gleichzeitig ein Dorf und eine Grossstadt», so der Historiker. Die Stadt wächst. Niederhäuser spricht von einem Boom, der dann abrupt von einer Weltwirtschaftskrise gestoppt wird. 1834 wird die Firma Sulzer gegründet, 1855 entsteht der Bahnanschluss Nordost, der St. Gallen mit Zürich verbindet. Die Sidi, die Seidenweberei, wird 1872 gebaut. Rieter nimmt zu dieser Zeit Fahrt auf. «Es gibt einzelne Pioniere, die mit dem Welthandel reich werden, aber das Kleingewerbe nicht, die Arbeiter leben bescheiden», so Niederhäuser. «Es gibt eine gewisse Diskrepanz zwischen der Weltoffenheit und dem ländlichen Dorf, das Winterthur damals auch war.» Mit dem Erstarken der Schwerindustrie kommen weitere Institutionen dazu. Die Konzerne brauchen Geld, also wird eine Bank gegründet. Der weltumspannende Handel muss abgesichert werden, also wird der Rückversicherer, ein Vorläufer der Axa, gegründet. Die Firmen brauchen Fachleute, im Technikum – ebenfalls 1874 gegründet – werden diese ausgebildet. Mehr Arbeiter brauchen mehr Wohnungen, also wird die Wohnbaugesellschaft GBW gegründet.
Wer um 1874 durch die Altstadt von Winterthur ging, sah eine andere Stadt als heute. Das Kleingewerbe bot Produkte für den täglichen Bedarf. Bäckereien, Coiffeure, Metzger, Schuhmacher und Schneider hielten ihre Ware feil. «Auf die hundert Wirtshäuser kamen sechs Ärzte», so Niederhäuser. Es gab viele Weinhandlungen. «Wein war ein Alltagsgetränk. Bier kam erst später auf.» Die Herausforderungen, mit denen das Winterthurer Gewerbe heute kämpft, waren damals andere. Zum Beispiel der kritisierte Abbau von Parkplätzen in der Stadt. «Das war damals kein Thema. Winterthur war eine Fussgängerstadt. Die Pferdekutschen waren allerdings ein gewisses Ärgernis wegen den Hinterlassenschaften auf dem Boden», so Niederhäuser. Damit sei auch Tempo 30 als Aufreger obsolet. «Es herrschte dazumal eher Tempo 15», so Niederhäuser. Die Steuerlast sorgte zwar auch damals für Diskussionen, «aber das war immer so in der Geschichte», weiss Niederhäuser. Die Steuerlast war damals jedoch ungleich tiefer. «1870 gab es zwischen 10 und 15 Polizisten und ein paar Dutzend Personen bei der Stadtverwaltung. Die Infrastruktur war deutlich kleiner und damit auch die Steuerlast.»
Gegründet wurde der Handwerks- und Gewerbeverein, wie er damals hiess 1874. Unter den 100 Mitgliedern waren unterschiedliche Branchen beteiligt, von Malern, Baumeistern und Kaufleuten bis zu Ärzten und dem Stadtpräsidenten.
Organisierten sich damals hauptsächlich Gewerbetreibende im Verband, so ist dieser heute breiter aufgestellt. Neben Unternehmern sind auch andere Berufsgruppen Mitglieder. Diese Öffnung zeigt sich auch im Namen, der im Jahr 2000 in «KMU-Verband Winterthur und Umgebung» geändert wurde. Heute hat der Verband über 600 Mitglieder. Seinen Geburtstag feierter er mit einer grossen Party an der KMU-Max-Preisverleihung. Im September soll auf dem Dialogplatz für jeden KMU-Max-Gewinner ein Baum gepflanzt werden. Diese dürften auch in 150 Jahren noch an das Winterthurer Gewerbe erinnern.
Sandro Portmann
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