Franziska Baetcke
ist Leiterin der Winterthurer Bibliotheken.
Bei der Kompogas Winterthur werden Grünabfälle wie Rüebli und Kartoffeln zu Biogas. Dank einer neuen Anlage wird die Firma bald zu einer CO₂-Senke.
Innovation Der Geruch ist so beissend, dass einem beim Betreten der grossen Halle für einen Moment der Atem stockt. Das hängt mit dem Material zusammen, das hier verarbeitet wird. Im 664 Kubikmeter grossen Bunker der Firma Kompogas dampft das Grüngut von den Städten Winterthur und Frauenfeld sowie weiteren 14 Vertragsgemeinden. Jährlich werden hier rund 21 000 Tonnen Grünabfälle zu Biogas und nährstoffreichem Naturdünger verarbeitet.
Die Kompogas Winterthur AG liegt am Rand der Stadt, nahe der Autobahneinfahrt in Oberwinterthur. Die Aktiengesellschaft wurde vor zehn Jahren von der Axpo Biomasse AG mit Beteiligung der Städte Winterthur und Frauenfeld gegründet, wobei Axpo mit 52 Prozent die Mehrheit der Aktien hält. Die Stadt Winterthur ist mit 34 Prozent beteiligt und Frauenfeld hält 14 Prozent der Anteile. Der Bau der Anlage hat die Beteiligten damals 13 Millionen Franken gekostet.
Das Jubiläum feierte Kompogas am vergangenen Samstag, 6. Juli, gemeinsam mit der Bevölkerung. Hier zeigte das Unternehmen, wie aus den Grünabfällen wieder ein wertvoller Rohstoff entsteht. Die Gartenabfälle und das Grüngut aus den Haushalten landen zuerst im oben genannten Bunker. Wie viel hier ankommt, ist wetterabhängig. «Heuer ist ein gutes Jahr für uns, weil es so viel regnet. Ist es heiss und trocken, kommen weniger Grünabfälle zu uns», sagt Betriebsleiter Daniel Ribi an einer Führung für die Medien.
Bevor das Grüngut in den Fermenter gelangt, dem Herzstück im Prozess zum Biogas, wird das Material zuerst zerkleinert und gesiebt. Dazu greift der Kran in den Hügel aus Grünabfällen und legt die Fracht auf ein Förderband. «Das läuft alles vollautomatisch», so Ribi. In der grünen Hügellandschaft aus Schnittrasen, kleinen Ästen und Kartoffeln glänzt auch hin und wieder ein Stück Plastik hervor. Ein unerwünschter Fremdstoff. «Die Trennung von Plastik oder Metall ist eine Herausforderung für uns», sagt Ribi. Während ein Magnet einen Teil des Metalls aussortiert, werden die Plastikteile in einer Art Sieb von der Masse getrennt. «Die Winterthurer trennen den Abfall nicht schlecht», lobt der Fachmann.
In einem riesigen Stahltank, dem Fermenter, werden die festen, vergärbaren Bioabfälle in vierzehn Tagen langsam zu Biogas. Der 32 Meter lange Tank hat einen Durchmesser von achteinhalb Metern und fasst 1500 Kubikmeter. Wie bei einem Kuchenteig vermischt ein Rührwerk die Masse bei rund 55 Grad Celsius. Das Rohbiogas aus dem Fermenter setzt sich aus zirka 54 Prozent Methan (CH₄) und 46 Prozent CO₂ zusammen. Zurück bleiben Gärreste. Während das Rohbiogas zu Biomethan aufbereitet wird, wird das abgeschiedene CO₂ in die Luft freigelassen. Noch. Das ändert sich in den nächsten Wochen. Neu werden die unerwünschten Emissionen nicht mehr in die Atmosphäre entweichen. Eine CO₂-Verflüssigungsanlage der Berner Firma Neustark ermöglicht die Einlagerung des Kohlendioxids in Beton – und wird dadurch zu einer CO₂-Senke. «Pro Tonne können wir so etwa zehn Kilogram CO₂ speichern», sagt Ribi. «Damit können wir dereinst gleich viel CO₂ speichern wie ein 250 Hektaren grosser Wald. Nur dass das CO₂, anders als beim Wald, im Beton bleibt.» Um das Kohlendioxid wieder aus dem Beton zu lösen, wäre eine enorme Hitze von 600 Grad Celsius nötig.
Weil die Firma Neustark CO₂ aus der Atmosphäre entfernt, entstehen in der Bilanz Negativ-Emissionen. Diese wiederum verkauft Neustark als CO₂-Zertifikate an Unternehmen, die damit ihre Klimaziele erreichen können. «Der Handel mit den CO₂-Zertifikaten ist noch kein Business, mit dem wir Geld verdienen. Die Nachfrage nach CO₂-Senken wird aber steigen, besonders bei lokalen Lösungen», sagt Ribi.
So wird aus dem weggeworfenen Rüebli oder der Kartoffel Biogas. Pro Jahr entspricht die produzierte Energie elf Millionen Kilowattstunden, was in etwa dem Heizenergieverbrauch von 1100 Haushalten entspricht. Aber auch die Gärreste werden weiterverarbeitet. Aus ihnen entsteht in flüssiger und fester Form ein Naturdünger für die Landwirtschaft und den Garten. Privatpersonen, aber auch Firmen können den Dünger kostenlos beziehen. Aber Achtung: «Der Dünger ist sehr nährstoffreich, man sollte ihn zu 50 Prozent mit Humus mischen», so Ribi.⋌
⋌Sandro Portmann
Lade Fotos..