Johnethen Fuchs
präsentiert seine neue Single im Café Kunterbunt.
SBB und Stadt Winterthur haben auf dem Lindareal grosse Pläne. Ein Hochhaus ist geplant und eine neue Brücke. Doch zu welchem Preis wird gebaut?
Städtebau Ging da nicht etwas vergessen? Während renommierte internationale Architekten auf dem 18 000 Quadratmeter grossen Lindareal zwischen dem Kantonsspital und dem Winterthurer Hauptbahnhof ein neues Quartier samt 80-Meter-Hochhaus planen, melden sich die Nutzer vor Ort zu Wort. Die Pläne wurden sprichwörtlich ohne sie gemacht, denn diese würden ihr Ende bedeuten. Und damit auch vom historischen Erbe Winterthurs.
Betroffen sind drei Parteien, die in den drei denkmalgeschützten Depot-Hallen im südlichen Teil des Areals eingemietet sind. Was sie alle eint, ist ihre Leidenschaft für historische Eisenbahnen. So befinden sich die beiden Vereine SBB Historic Team Winterthur, Dynamo-Meterwagen sowie die Firma Historic Rail Sevice GmbH in den Hallen. Hier werden historische Lokomotiven gewartet und betrieben, zum Teil auch im Auftrag der SBB, die hinter den Bebauungsplänen steckt.
Das Bauprojekt steht zwar erst am Anfang, doch die Pläne geben einen ersten Eindruck, was auf dem Areal entstehen könnte. Auffallend ist das 80 Meter hohe Hochhaus sowie eine Fussgängerbrücke, die vom Kantonsspital in einer Y-Form zum Roten Turm einerseits sowie zum Seminarhotel Banana City andererseits führt. Gebaut wird in Etappen, 2035 sind die ersten Bezüge der Wohnungen und Gewerbeflächen geplant.
Geht es nach den Plänen der Architekten, wird die westliche Halle abgerissen und die mittlere Halle um zehn Meter gekürzt. Die Gleise werden zurückgebaut und an ihrer Stelle soll ein öffentlicher Park entstehen. In den Hallen sind Cafés und Coworking-Spaces angedacht.
Ein Gleiszugang ist aber essenziell für die heutigen Nutzer, die sich als Interessengemeinschaft Depot Lindstrasse formiert haben. «Wir sind zwingend angewiesen auf gedeckte Gleise mit einer Grube», sagt Edi Im Hof vom Verein SBB Historic Team Winterthur. Alternative Standorte gebe es kaum. Gedeckte Gleise mit Grube sind schweizweit eine Rarität. Das bestätigt auch René Brassel von der Historic Rail Services GmbH. «Bevor wir mit unserer Firma hierherkamen, haben wir in den Kantonen St. Gallen, Thurgau und Zürich nach einem Standort gesucht und Hunderte Personen angeschrieben. Wir hatten keinen Erfolg, das ist der einzige mögliche Standort», so Brassel. Die IG fordert, dass die Pläne angepasst werden, damit sie weiter existieren können. «Das wäre technisch kein Problem. Einfach die Gleise müssten erhalten bleiben», sagt Edi Im Hof.
Unterstützung erhalten die Eisenbähnler vom Winterthurer Heimatschutz. «Was hier entstehen soll, orientiert sich weitgehend an der Euopaallee in Zürich», sagt Präsident Felix Landolt. Die Hallen seien geschützt, äussert er bei einer Begehung vor Ort. «Sehen Sie sich diese filigran durchdachte Zimmermannskunst an», macht Landolt aufmerksam und zeigt zur Decke der westlichsten Halle aus dem Jahr 1947. Damals waren die Ressourcen knapp, gebaut wurde einfach, aber solide. Die anderen Hallen sind älter, die mittlere wurde im Jahr 1890 gebaut und die östliche 1857.
Das eigentliche Juwel befindet sich aber in den Hallen. Es ist nichts weniger als das historische Erbe von Winterthur, die Lokomotiven, mit denen die Eulachstadt Weltruf erlangt hat. Zum Beispiel die Elektrolokomotive Be4/6 12320 aus dem Jahr 1921 mit dem Spitznamen «Rehbock» von der SLM, der Schweizerischen Lokomotiv- und Maschinenfabrik. Dies war die erste elektrische Schnellzugslokomotive für den Gotthard. Insgesamt stehen vom Verein sieben Fahrzeuge, davon fünf mit Triebwagen, in den Hallen. Vier davon wurden in Winterthur gebaut. «Dass Winterthur heute eine Kulturstadt ist, hat die Industriestadt von damals möglich gemacht. Wir verwalten das letzte Flämmchen von dem, was Winterthur gross gemacht hat», sagt Martin Hausammann, Präsident des Vereins SBB Historic Team Winterthur. Künftig wolle man die Schätze der Öffentlichkeit besser zugänglich machen. Führungen oder Tage der offenen Tür sind Ideen dazu. «Das Interesse ist da, besonders auch von Jungen», sagt Im Hof. So sei ein Drittel des Vereins mit rund 30 Mitgliedern unter 40 Jahre alt.
«Ein Ende der Bahnnutzung wäre ein grosser Verlust für Winterthur», findet auch Heimatschützer Landolt. Der Heimatschutz hat die Möglichkeit, gegen das Bauprojekt Rekurs einzulegen. Laut Landolt sei dies aber die letzte Option, wichtiger sei, vorher das Gespräch zu suchen und eine einvernehmliche Lösung zu finden.
Für eine einvernehmliche Lösung bleibt noch Zeit. Aktuell wird das Richtplanprojekt überarbeitet, das 2027 in einen Gestaltungsplan mündet. Dieser liegt der Öffentlichkeit dann zur Mitsprache auf.
Trotzdem hält die SBB an den Plänen ohne Gleise fest. «Aufgrund des Mehrspurausbaus Zürich–Winterthur wird das Areal mittelfristig nicht mehr per Gleis erreichbar sein. Damit ist auch eine schienengebundene Nutzung der Hallen nicht mehr möglich», sagt Mediensprecher Moritz Weisskopf auf Anfrage. Das ist eine klare Aussage, aber ist das auch das letzte Wort?
⋌Sandro Portmann
Sauerei, wieder mal ein Beispiel von eigensinniger und kurzfristiger Gschäftlimacherei ohne Weitblick. Belangen kann man die planenden und verdienenden Herren ja nachher nicht mehr, wenn alles zerstört ist. Wenn solche Leute einmal ihre Verantwortung wahrnehmen würden, käme auch was Rechtes dabei raus. Selbstgefällig und egozentrisch wird hier eine Gesprächskultur verweigert.
Urs Bosshard antwortenBei Debatten über entgleisten Städtebau verweise ich immer wieder gern auf meine Heimatstadt Winterthur, die im Umgang mit ihrem baulichen Industrieerbe fast alles besser gemacht hat als mein Wohnort Zürich, wo der SBB das Diktat von Politik und Baubehörden willfährig überlassen wurde.
Andreas Diethelm antwortenLade Fotos..