Irene Mazza
singt und erzählt Geschichten im Museum Schaffen.
Die Pensionskasse Stadt Winterthur hat ihren Sitz im Semper-Stadhaus. Bild: spo
Waren die Massnahmen der Pensionskasse Stadt Winterthur in den Jahren 2018 und 2019 rechtens? Ein Rechtsstreit über 7,8 Millionen Franken.
Rechtsfall Jahrelang war die Pensionskasse Stadt Winterthur (PKSW) ein finanzielles Sorgenkind. Weil sie bei ihrer Verselbstständigung 2014 mit einem 113-Millionen-Loch in der Kasse loslegte, wurden in den nachfolgenden Jahren mehrere Sanierungspakete geschnürt. Schliesslich sagte das Stimmvolk 2024 deutlich Ja zu einem Sanierungsbeitrag von 120 Millionen Franken. Selten waren sich Parlamentarier von links bis rechts so einig, wenn es um die Verwendung von Steuergeldern geht. Der überparteiliche Schulterschluss ist das letzte Kapitel bei der ins Schlittern geratenen Pensionskasse. Für ein Happy End reicht es aber noch nicht ganz. Wie die «Winterthurer Zeitung» erfahren hat, besteht aktuell noch ein Rechtsstreit zwischen der Stadt Winterthur und der Pensionskasse Stadt Winterthur.
Der Rechtsstreit nahm vor sechs Jahren seinen Anfang und betrifft die Jahre 2018 und 2019. Die bis dato getroffenen Sanierungsmassnahmen, etwa höhere Abgaben von Arbeitnehmenden und Arbeitgeber oder eine Senkung des technischen Zinssatzes, haben die städtische Pensionskasse nicht in den grünen Bereich gebracht. 2018 hatte sie einen Deckungsgrad von 89,1 Prozent, weshalb weitergehende Sanierungsmassnahmen notwendig wurden. Also beschloss der Stiftungsrat, in dem auch Mitglieder des Stadtrates von Amtes wegen vertreten waren, eine Minderverzinsung der Altersguthaben auf 0,5 Prozent, was der Hälfte des damaligen Mindestzinses entspricht. Kritisiert wird nun offenbar die Minderverzinsung. Dazu muss man wissen: Jährlich legt der Bundesrat einen Mindestzins für die Altersguthaben fest, der nicht unterschritten werden darf. Für 2024 liegt er bei 1,25 Prozent. Aber es geht auch mehr: Die Pensionskasse der Stadt Zürich verzinst die Altersguthaben mit fünf Prozent, die Sulzer Vorsorgeeinrichtung hat einen Prozentsatz von unglaublichen neun Prozent.
2020 reichte der Stadtrat bei der Stiftungsaufsicht eine Aufsichtsbeschwerde ein. Eine Minderverzinsung als Sanierungsmassnahme sei nicht zulässig. Das Geld solle wieder zu den Arbeitnehmenden zurückfliessen. Es geht um 7,8 Millionen Franken. Die Pensionskasse Stadt Winterthur hat dafür eine Rückstellung gemacht. Die Beschwerde ist mehr als aussergewöhnlich, kämpft doch die Stadt Winterthur hier für die Arbeitnehmenden und somit auch ein wenig gegen sich selbst.
Bei der ersten Instanz, der Stiftungsaufsicht Kanton Zürich, ist die Stadt mit der Beschwerde abgeblitzt. Der Stadtrat sei formell gar nicht berechtigt, eine Einsprache einzureichen. Der Stadtrat sah das anders und zog das Urteil weiter ans Bundesverwaltungsgericht, wo die Beschwerde noch hängig ist. Verliert sie dort, kann der Stadtrat mit der Beschwerde ans Bundesgericht gelangen, der letzten Instanz in der Schweiz. Warum die Stadt das Urteil weiterzieht, lässt sie unbeantwortet: «Da es sich um ein laufendes Verfahren handelt, äussert sich die Stadt dazu vorerst nicht», heisst es von der Medienstelle auf Anfrage.
Würde eine Niederlage vor Gericht die eben sanierte Pensionskasse wieder aus der Bahn werfen? Marianne Fassbind, Präsidentin des Stiftungsrates verneint auf Anfrage. «Dies ist kein Problem für die PKSW, da ja bereits Rückstellungen gebildet wurden für den Fall eines negativen Entscheids.» Bei einem Urteil zugunsten der Pensionskasse würden die Rückstellungen wieder aufgelöst. Wann mit einem Urteil gerechnet werden kann, weiss Fassbind nicht. «Dies ist schwierig vorauszusagen. Wir haben damit gerechnet, noch im Jahr 2024 den Entscheid zu erhalten. Bis heute ist kein Entscheid gefallen», so die Stiftungsratspräsidentin.
Heute hat sich die finanzielle Situation der Pensionskasse beruhigt. Der Deckungsgrad beträgt 101,8 Prozent, die Rückstellung von 7,8 Millionen Franken eingeschlossen. Die Altersguthaben werden mit dem gesetzlichen Mindestzins von 1,25 Prozent verzinst. Bei der Pensionskasse Stadt Winterthur sind über 9700 Personen versichert, die bei der Stadt angestellt sind oder in nahen Betrieben arbeiten wie etwa im Technorama oder am Theater Winterthur. Demgegenüber steht ein Anlagevermögen von gut zwei Milliarden Franken. ⋌Sandro Portmann
Lade Fotos..