Irene Mazza
singt und erzählt Geschichten im Museum Schaffen.
Mit schweren Maschinen wurden die Linden gefällt und abtransportiert. Bild: spo
Der Effort von Politikern war vergebens. Zwei Linden auf einem privaten Grundstück in Oberi sind weg. Das Thema ist ein Politikum.
Ökologie Der offene Brief flatterte am vergangenen Mittwoch in den elektronischen Briefkasten der Redaktion. Darin forderten vorwiegend linke Stadtparlamentarier die «Wylandpark Immobilien» auf, zwei Linden auf dem Grundstück an der Alten Römerstrasse in Oberwinterthur zu verschonen. «Von den Linden geht keine aussergewöhnliche Gefährdung aus, die Bäume stehen seit Jahrzehnten dort und haben alle bisherigen Stürme gut überstanden», heisst es im Schreiben, das auch von Nachbarn unterzeichnet wurde. Die Immobilienfirma aus Frauenfeld hat das Grundstück neu erworben und plant einen Neubau. Mehrere Eigentumswohnungen sind geplant, wie Sandro Zuffi von der Geschäftsleitung sagt. «Wir sind noch am Anfang der Planung und wissen noch nicht, wie viele Wohnungen es schlussendlich geben wird.» Auch der Zeitpunkt der Realisierung sei noch unklar. Der verdichtete Neubau komme vermutlich aber nicht vor 2025.
Die Politiker verstehen die Eile nicht, zumal die Bäume von zahlreichen Vogelarten und Kleingetier genutzt werden. «Die Linden sind Teil eines grösseren Areals mit hoher Grünstadt-Lebensqualität.» Die unterzeichnenden Personen appellieren im Brief, das Anliegen zu prüfen und auf eine Fällung zu verzichten – allenfalls, ob nicht zumindest die Linde in der südwestlichen Ecke des Grundstücks erhalten werden könne. «Es ist für das Stadtklima wie auch gegenüber der Biodiversitätsstrategie unverzeihbar, diese Bäume jetzt schon zu fällen und damit für Jahre eine grosse Lücke im Stadtraum zu hinterlassen.»
Die Antwort kam postwendend. Am Donnerstag darauf schrieb die Geschäftsleitung der Wylandpark AG: «Wir entwickeln – gemäss dem Willen der Bevölkerung zu verdichtetem Bauen – an mehreren Orten im Rahmen der vorgegebenen Zonen zeitgemässen Wohnraum.» Dabei lege man stets grossen Wert auf ökologisches Bauen, auf Minergie-Bauten und auch auf erneuerbare Energien. «Bei zwei kürzlich fertiggestellten Bauten in Winterthur wurden jeweils auf unsere Initiative und freiwillig für mehrere zehntausend Franken Mehrkosten für Schutz- und Pflegemassnahmen ausgegeben.» Trotzdem: «Wenn Bäume gefällt werden müssen, um mehr Wohnraum zu erzielen, werden diese Arbeiten im Winter durchgeführt, damit keine Vögel beim Brüten gestört werden, und Bäume werden nach Bauvollendung wiedergepflanzt.»
Mit dieser Antwort ist Stadtparlamentarier Reto Diener (Grüne) nicht zufrieden. «Wir können nicht akzeptieren, wenn Bäume auf Vorrat gefällt werden und das ist hier der Fall.» Denn bei einem eingereichten Baugesuch, werde die Baumsituation jeweils vor Ort beurteilt und allenfalls mit Auflagen versehen. Das werde hier umgangen. Verdichten sei ja nicht falsch, aber man müsse zu den Bäumen Sorge tragen. «Es gibt keine bessere Klimaanlage als ein Baum.»
Bei der Immobilienfirma ist man überrascht vom Effort der Politiker und spricht von einer Hexenjagd. «Dass sie mit aufhetzerischem Getöse und unter Einbezug der Presse mit pseudomässigem Druck versuchen, in einem privaten Grundstück Einfluss zu nehmen, ist unglaublich, aber offenbar ein Trend.» Die Firma rät den Politikern, sich im öffentlichen Raum zu engagieren, damit entlang der Strassen und auf Betonplätzen viele neue Bäume gepflanzt werden. «Auch wir unterstützen diese Entwicklung absolut. Es ist aber bestimmt nicht die Meinung, sich auf privaten Grundstücken umzusehen, ob es dort noch der Einmischung bedarf.»
Tatsächlich haben die Bäume auf privatem Grund im Kanton Zürich einen schlechteren Schutz als in anderen Kantonen. In Bern etwa gibt es zwei Schutzzonen. Alle Bäume in der Innenstadt sind ab 30 Zentimeter Stammumfang geschützt. Im übrigen Gemeindegebiet braucht es für den Schutz einen Stammumfang von 80 Zentimetern. Gemessen wird in einer Höhe von einem Meter über dem Boden. Diese Regelung könnte in Zukunft auch im Kanton Zürich Standard werden. Aktuell wird das Planungs- und Baugesetz überarbeitet. Die Bäume sollen darin einen besseren Schutz erhalten. Doch für die beiden Linden an der Alten Römerstrasse in Oberi ist es zu spät. Am Freitagmorgen wurden sie gefällt.
⋌Sandro Portmann
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