Jorge Oswald
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Nico Desku würde sich freuen, wenn auch Lehrpersonen aus anderen Schulen Interesse an seinen Erkenntnissen im Unterrichtsumgang mit Tablets zeigen würden. Bild: gs
Die Maturarbeit von Nico Desku an der Kantonsschule Büelrain hat nicht nur die Bestnote für ihn, sondern auch Erkenntnisse für die Lehrerschaft gebracht.
Abschlussarbeit Ursprünglich tendierte Nico Desku zu einer Maturarbeit über den Jugoslawien-Krieg oder den Katholizismus in Albanisch sprechenden Ländern. Doch da war auch noch dieses Thema, das den bald 19-Jährigen seit dem ersten Semester seiner Gymizeit beschäftigte – die Einführung der Tablets in den Schulunterricht. «Die Devise hiess damals: weg vom Papier. Die Schule hatte sich zum Ziel gesetzt, die Digitalisierung voranzutreiben, auch um uns so zusätzlich für unsere schulisch-berufliche Zukunft fit zu machen, so Nico Desku. Die Umstellung von Papier auf das Tablet als solches hatte er deshalb ebenfalls im Köcher von möglichen Abschlussarbeiten. «Aber», sagt er, «nach einigen Brainstormings fokussierte ich mich auf ein Thema, das erstens mich selbst betraf, das aber auch der Lehrerschaft Erkenntnisse zum Tablet-Unterricht geben soll.» Desku scherzt: «Wegen Letzterem hatte ich mir eine bessere Note ausgemalt. Nein, im Ernst reizte es mich mehr, ein zeitgemässes, mich selbst auch betreffendes Thema anzugehen.»
Im März letzten Jahres setzte er sich zum ersten Mal mit dem ihm zugeteilten Coach, dem kurze Zeit später zum Rektor der KS Büelrain ernannten Peter Lautenschlager, zusammen. «Bis zu den Herbstferien hatte ich wohl schon meinen Plan, aber noch keine messbaren Daten, weshalb danach der Zeitdruck bis zur Abgabe kurz vor Weihnachten schon etwas zugenommen hatte», erzählt Desku. Er, der sich selbst als einen bezeichnet, der im Schulunterricht immer wieder mal abgelenkt war und sich auf dem Tablet aus Langeweile auch schon mal mit Tagesaktuellem oder mit Gamen beschäftigte, während vorn der Lehrer zu einem Thema referierte, ging nun exakt diesem Phänomen nach. Sein Ziel war es, herauszufinden, wie die Lehrpersonen die Aufmerksamkeit der Schüler trotz Nutzung eines eigenen Tablets verbessern können. Das anvisierte Ergebnis sollte sich mittels Experimenten mit 300 Schülern und entsprechendem Lehrpersonal, den damit verbundenen wissenschaftlichen Recherchen sowie Expertenwissen herauskristallisieren und in einem Factsheet festgehalten werden.
Das Herzstück der Maturarbeit von Nico Desku war eine Umfrage unter 165 Mitschülern und 44 Lehrpersonen, deren Resultat Aufschlüsse zu möglichen Massnahmen für eine Konzentrationssteigerung liefern sollte. Wissen wollte Desku etwa, wie viele Minuten die Schüler innerhalb einer 45-minütigen Lektion schätzungsweise abgelenkt sind, und ob beispielsweise ein zwischenzeitliches Tabletverbot oder ein flach auf dem Pult liegendes Tablet (besserer Einblick durch die Lehrpersonen) die Konzentration verbessern könnte. Die Schülerinnen und Schüler gaben an, während rund einem Drittel der Unterrichtszeit abgelenkt zu sein; geschlossene oder flach aufliegende Tablets oder Gruppenarbeiten würden ihre Konzentration zudem nicht grundlegend verbessern. Dies im Unterschied zu Arbeiten, deren Lösungen die Lehrpersonen am Ende der Lektion kontrollieren würden. «Grundsätzlich konnte ich feststellen, dass meine in die Umfrage eingebrachten Vorschläge zur Verbesserung der Konzentration nicht ankamen und dass die Ablenkung hauptsächlich durch die Benutzung der Tablets stattfindet. Ich vermutete, dass die Mitschüler befürchteten, meine Maturarbeit könnte dazu führen, dass eine Veränderung der Tablethandhabung bereits in unseren Gymi-Abschlussprüfungen zum Zug kommen könnte und sie deshalb ihren Eigennutzen in die Antworten einfliessen liessen.»
Ob ihn die Mitschüler deshalb des Verrats bezichtigten? Nico Desku winkt ab: «Natürlich gab es ein paar Sprüche. Da ich ja während den Schulstunden ab und zu selbst zu jenen gehörte, die sich nicht primär mit dem Schulstoff beschäftigten, nahmen sie es locker und machten sowohl bei der Umfrage als auch bei den Experimenten gern mit.» Bei Letzteren setzten die Lehrpersonen den Grossteil der in der Umfrage vorgeschlagenen Massnahmen eins zu eins im Schulunterricht ein. In Doppellektionen sass Nico Desku jeweils neben der Lehrperson und machte sich Notizen, im zweiten Teil wurde mittels Papierfragebogen unter den Schülern eruiert, als wie gross sie die Ablenkung während des Experiments einschätzten.
Im Fazit zu seiner Maturarbeit kann Nico Desku auch unter dem Beipflichten des beigezogenen Professors der Uni Zürich, Doktor Klaus Oberauer, festhalten, dass die Aufmerksamkeit der Schüler durch Signalisierungen positiv beeinflusst werden kann. Dazu zählen Anweisungen wie «legt das Tablet flach auf den Tisch». Die Wiederholung solcher Signalisierungen erleichtert das Richten der Aufmerksamkeit auf den Unterricht auch über längere Zeit. «Gelingt es den Lehrpersonen, die Ablenkungsmöglichkeiten auf den Tablets mit solchen Massnahmen, aber auch einem interessant umgesetzten Unterrichtsstoff zu dezimieren und so die Konzentration zurück auf das Wesentliche zu lenken, so ist dies sicher ein wesentlicher Teil der Lösung», resümiert Nico Desku. Neben seiner vorzüglichen Note 6 für die Abschlussarbeit freut sich Nico Desku auch, dass seine Erkenntnisse Potenzial haben, auch in anderen Kantonsschulen oder im kantonalen Bildungsamt den Unterrichtsumgang mit Tablets möglicherweise neu zu definieren oder entsprechend zu ergänzen.
Die Maturarbeit Nico Deskus zum Nachlesen:
https://drive.google.com/file/d/1eM9uxGB1qBL3BNH4lIUaTa-UFBMEPt23/view
George Stutz
Nico Deskus Maturaarbeit zum Nachlesen. Mailanfragen an
deskunico5@gmail.com beantwortet er gerne.
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