Andrea Lutz
Ist Co-Kuratorin der Ausstellung zu Vallotton.
«Schnell zu reagieren ist wichtig», sagt Anke Domschky, Expertin für Stadtklima und ZHAW Dozentin.
Die Stadt wird auf ihrem Weg in Richtung netto null grüner und grüner. Die Bevölkerung kann bald selber entscheiden, wie schnell es gehen soll.
Abstimmung In der Stadt Winterthur spriessen Bäume wie Pilze aus dem Boden. Um die Stadt an das immer heissere Klima anzupassen, wird Asphalt aufgebrochen, wo es nur geht. Die Rudolfstrasse am Bahnhof ist eines der aktuellsten Beispiele. Bis im Herbst entsteht hier eine Begegnungszone mit zusätzlichen Bäumen. Wie schnell sich die Stadt bewegen soll, darüber ist man sich allerdings uneins. Geht es nach dem Verein Umverkehr, bewegt sich die Stadt Winterthur zu langsam. Der Verein hat unter dem Titel Stadtklima-Initiativen zwei Vorstösse lanciert, die Gute-Luft-Initiative und die Zukunftsinitiative. Darin fordern die Initianten, dass in den nächsten zehn Jahren jährlich je ein halbes Prozent der Winterthurer Strassenfläche begrünt wird (Gute Luft-Initiative) oder in Flächen für Fussgänger, Velos und ÖV umgewandelt wird (Zukunftsinitiative). Das sind jährlich 32 000 Quadratmeter Asphalt, die aufgebrochen werden sollen respektive 320 000 Quadratmeter in zehn Jahren. Am 9. Juni wird darüber abgestimmt.
Am vergangen Dienstag, 7. Mai, lancierten die Initianten den Wahlkampf mit einem Rundgang. «Wir haben einen krassen Temperaturanstieg. Die letzten Jahre zählten zu den jeweils heissesten, und die Hitze wird noch zunehmen, was erhebliche gesundheitliche Risiken mit sich bringt. Wir haben eine akute Klimakrise», sagt Silas Hobi, Geschäftsleiter des Vereins Umverkehr.
Zu langsam geht es auch der Stadtklima-Expertin Anke Domschky, Dozentin an der ZHAW. Sie zeigte vor Ort, wie die Stadt dem Klima angepasster gebaut werden könnte. «Schnell zu reagieren ist wichtig», findet Domschky. Dabei brauche es manchmal gar nicht viel. «In den Alltagsräumen der Stadt kann man mit kleinen Massnahmen viel erreichen», wie sie sagt. Dabei gelte das Credo: «Je grüner, umso besser.» Und obwohl die Stadt schon viel im Bereich der Begrünung unternehme, sagt Domschky an der Rudolfstrasse beim Bahnhof auch: «Die Stadt hätte ruhig grosszügiger sein können mit den Plätzen für die Bäume. Wir reizen die Flächen, die wir haben, einfach nicht aus.»
Der Initiative steht ein Gegenvorschlag aus dem Parlament gegenüber. Dieses hat die Gute-Luft-Initiative abgeschwächt und fordert, dass die Stadt bis 2040 jährlich 5300 Quadratmeter Strassenfläche oder Parkplätze in Grünflächen umwandelt und jährlich 33 Bäume pflanzt. Bei der Zukunftsinitiative geht der Gegenvorschlag sogar weiter. Demnach soll eine Fläche von 170 000 Quadratmetern für die Fussgänger, Velos und den ÖV umgewandelt werden. Allerdings spricht der Gegenvorschlag von 15 statt zehn Jahren für die Umsetzung. Sowohl die Initiative wie auch der Gegenvorschlag werden vom Stadtrat abgelehnt. Das gewünschte Tempo sei nicht umsetzbar, sagte gleichentags die Stadträtin Christa Meier, Vorsteherin Departement Bau und Mobilität. «Die Umsetzung ist unrealistisch.» Auch wenn die Stadt das Anliegen teile. «Mit der Forderung rennen die Initianten bei uns offene Türen ein», so Meier. Es ist das Tempo, das nicht passt. «Um die Ziele der Gute-Luft-Initiative zu erreichen, müsste die Stadt während zehn Jahren eine 17-mal grössere Fläche entsiegeln als bisher», so Meier. Im Schnitt habe die Stadt in den vergangenen fünf Jahren 900 Quadratmeter Strassenfläche jährlich in Grünfläche umgewandelt. Zudem würden Strassenbauprojekte jeweils fünf bis sieben Jahre bis zur Umsetzung dauern. Die Stadtklima-Initiativen kommen auch in anderen Städten zur Abstimmung. In St. Gallen hat der Verein die Initiative zugunsten des Gegenvorschlags zurückgezogen. In Winterthur wird an der Initiative festgehalten. «Wir sind der Meinung, wir können noch mehr Wirkung erzielen, freuen uns aber sehr, sollte der Gegenvorschlag angenommen werden», so Silas Hobi vom Verein Umverkehr. Das letzte Wort hat die Bevölkerung.
⋌Sandro Portmann
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