Irene Mazza
singt und erzählt Geschichten im Museum Schaffen.
Die Lokalzeitungen am Boden: Der Druck auf Printmedien hat stark zugenommen.
Nach dem Ende von 84xo strauchelt nun auch das Kulturmagazin Coucou – und auch beim Landboten droht ein Sparprogramm.
Medien Kaum hat Winterthur die regionale Wochenzeitung 84xo beerdigt, steht ein weiterer Medientitel mit einem Bein im Grab. Am vergangenen Donnerstag, 26. Oktober, machte das Winterthurer Kulturmagazin Coucou mit einer Social-Media-Kampagne auf sich aufmerksam. «Stell dir vor, es passiert Kultur und keine*r kriegt's mit» heisst es da und: «Das Coucou bangt um seine Zukunft.» Die Zukunft ist ungewiss, weil die Stadt den Antrag für Subventionsgelder für 2025 bis 2028 über jährlich 70 000 Franken abgelehnt hat. Die Macher des Magazins haben mit einer Zusage gerechnet, weil die städtische Kulturförderung selbst sie dazu ermuntert habe, einen solchen Antrag zu stellen. 2021 hat die Stadt Winterthur das Engagement mit dem Kulturpreisgewürdigt.
Mit der Aussicht auf einen Subventionsvertrag hat das Magazin im vergangenen Jahr die Strukturen professionalisiert. «Die überraschende Absage wirft uns zurück auf Feld eins», heisst es beim Magazin. «Es ist ein Schlag ins Gesicht. Einer, der so richtig wehtut und das Coucou taumeln lässt», schreibt Sandra Biberstein in ihrem Kommentar. Während zehn Jahren leitete sie die Redaktion bis 2022. 2022 erhielt das Magazin im Rahmen der städtischen Projektförderung 10 000 Franken, 2023 waren es 70 000 Franken.
Die Meldung vom Coucou warf Wellen bis ins Winterthurer Stadtparlament, wo sich die SP am Montag für das Magazin einsetzte. Stadtpräsident Mike Künzle machte in seiner Antwort aber Hoffnung. Noch seien keine Beschlüsse gefasst. Allerdings reiche das Geld für die Kulturförderung nicht für alle eingereichten Projekte. 2,3 Millionen Franken würden im Budget fehlen.
«Darum haben wir das Coucou vorgewarnt, dass es keinen Subventionsvertrag gibt. Wir werden aber wie bisher Gelder zahlen, es kommt einfach auf das Instrument an. Ich bin immer noch guten Mutes, was das Coucou betrifft», so der Stadtpräsident. Es könnte also auf eine weiterhin jährliche Projektförderung hinauslaufen.
Auch beim Landboten, der einzigen Tageszeitung aus Winterthur, wird der Gürtel enger geschnallt. Im September hat das Medienhaus Tamedia, zu dessen Verlagshaus der Landbote gehört, eine millionenschwere Sparrunde angekündigt. Sechs Millionen Franken will das Medienhaus einsparen, davon 3,5 Millionen in der Westschweiz und 2,5 Millionen in der Deutschschweiz. Dies nachdem Tamedia in den letzten drei Jahren bereits ein Sparpaket von rund 70 Millionen Franken umgesetzt hat. Auf Anfrage wird klar, dass auch der Landbote nicht verschont bleibt: «Die Sparmassnahmen betreffen grundsätzlich alle Titel von Tamedia», sagt Philip Kuhn, Kommunikationsverantwortlicher Tamedia, auf Anfrage. Wie die Sparmassnahmen konkret aussehen, lässt er offen. «Bedaure, wir geben keine Details zu Sparmassnahmen in einzelnen Redaktionen bekannt», heisst es auf die entsprechende Nachfrage. Der Spardruck ist aber schon länger auf der Redaktion des Landboten spürbar. Ab 2022 ist von einem Einstellstopp die Rede. Kuhn präzisiert: «Tatsächlich gab es beim Landboten im ersten Halbjahr 2023 einen vorübergehenden Einstellungsstopp.»
Er hält fest: «Der Landbote steht vor denselben Herausforderungen wie alle Tamedia-Titel: Für die Zukunft ist es entscheidend, dass die Zahl der digitalen Abonnentinnen und Abonnenten kontinuierlich wächst. Diesbezüglich hat der Landbote im vergangenen halben Jahr die Ziele übertroffen.»
Auch die Swiss Regiomedia, zu der die Winterthurer Zeitung gehört, befindet sich in einer Reorganisation. «Die Winterthurer Zeitung wird es auch in Zukunft noch geben. Die Frage ist, in welcher Form», sagte unlängst Verleger Christoph Blocher im Landboten.
Die Situation in Winterthur ist exemplarisch für die Schweiz. «Die Medienfinanzierung ist ein generelles Problem, global und in der gesamten Schweiz. Je ländlicher eine Region, desto schwieriger wird es aktuell, ein oder mehrere Medien zu finanzieren», sagt Andreas Zoller vom Verband Schweizer Medien. Die grösste Herausforderung sei nicht zwingend, dass die Zeitungen digitaler werden. «Diese Transformation meistern die Verlage in der Schweiz sehr gut.» Vielmehr bereite die allgemeine Entwicklung Sorgen. «Im Nutzermarkt verschiebt sich die Leserschaft zunehmend ins Digitale, wo die Zahlbereitschaft tiefer als im Print ist. Zwar steigen die Online-Einnahmen stetig, können aktuell die wegfallenden Printeinnahmen aber nicht ganz auffangen. Das ist ein strukturelles Problem», so Zoller. Zwar würden die Zeitungen heute auch mit Online-Werbung Geld verdienen, das meiste Geld fliesse aber zu den grossen Tech-Giganten. «Die Printzeitung steht immer mehr unter Druck, weil Teile der Leserschaft zu online wechseln, aber auch weil die Zustellung teurer wird und auch andere Kosten steigen», so Zoller. Der Verband fordere deshalb eine befristete Erhöhung der indirekten Presseförderung.
Ist also die Zeitung der Zukunft digital? «Ob und wann die Zeitung komplett digital sein wird, ist schwer einzuschätzen. Noch immer schätzt ein grosser Teil der Bevölkerung die gedruckte Zeitung.»
Der Branchenverband Swissmarketing, dem laut eigenen Angaben über 2000 Spezialisten aus dem Bereich Marketing angeschlossen sind, bestätigt den Trend hin zur digitalen Werbung. So sei es dem Verband zwar wichtig, Werbung ganzheitlich abzudecken, also möglichst alle Kanäle für den maximalen Erfolg zu nutzen. «Allerdings bemerken wir, dass die Digitalisierung auch vor der Werbung nicht haltmacht. Printwerbung ist ein wichtiger Player und wird es für den Moment auch bleiben. Die Online-Werbung entwickelt sich aber rasant. Dabei muss gesagt werden, dass ein Grossteil der Ausgaben für Online-Werbung ins Ausland fliesst», sagt Andreas Wild, Geschäftsführer beim Verband.
Das Thema der darbenden Medienlandschaft ist längst zum Politikum in der Schweiz geworden. Nach einem Nein zu einer neuen Medienförderung am 13. Februar an der Urne forderten die Grünen im Kanton Zürich mit einem Postulat neue Fördermassnahmen für Medien. Die Ablehnung kam an der Sitzung am Montag, 30. Oktober, mit 65 zu 108 Stimmen. Unterstützt wurde die Forderung von den Grünen, der SP, der EVP und der AL. Der Regierungsrat sprach sich bereits in seiner schriftlichen Stellungnahme dagegen aus.
⋌Sandro Portmann
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