Peter Widmer
und Peter Uhlmann wurden überrascht.
Hier wird die neue Generation von Journalisten ausgebildet. Bild: spo
Die Stimmung bei den Studenten des Studiums Kommunikation an der ZHAW ist im Keller. Sie befürchten, keine Stelle im ausgetrockneten Markt zu finden.
Journalismus In drei Monaten schliessen an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Winterthur 100 Personen ihr Studium «Kommunikation und Medien» ab. Doch die Freude ist bei einem grossen Teil der Studierenden getrübt. Viele haben Angst, keine Stelle zu finden, denn der Markt für Journalisten und PR-Fachleute scheint ausgetrocknet. Allein in den vergangenen drei Monaten haben die drei grössten Verlagshäuser TX Group, Ringier und CH Media über 250 Stellen abgebaut. «Die Stimmung bei uns Studierenden ist nicht mehr so optimistisch wie am Anfang. Viele haben den Mut verloren, nach dem Studium eine Festanstellung zu finden», sagt Jan Gubser, Sprecher der Studierendenvertretung des Studiengangs Kommunikation. «Unser Jahrgang hat nun das Pech, dass auch viele gestandene Journalistinnen und Journalisten eine Stelle suchen.»
Für das Studium an der ZHAW kommen die Absolventinnen und Absolventen aus der ganzen Schweiz nach Winterthur. Der Jahrgang, der nun vor dem Abschluss steht, hat im Jahr 2021 mit 141 Studierenden begonnen. Nach einem Jahr entscheiden sich die Studierenden, ob sie sich in den Bereich Journalismus oder in die Organisationskommunikation vertiefen wollen. Das Verhältnis liegt bei 40 zu 60 Prozent zugunsten der PR-Fachleute. Ende Juli schliesst das Studium ab. «Jetzt beginnt die heisse Phase für die Bewerbungen», so Gubser. Viele Medienunternehmen hätten aber hohe Erwartungen, welche von den Studienabgängern nicht erfüllt werden können. «Entweder werden Praktikanten gesucht oder Journalisten mit langjähriger Erfahrung und das bei einer Zielgruppe von 18 bis 35 Jahren», so Gubser. Er zeigt ein Inserat, in dem steht: «Eierlegende Wollmilchsau mit viel Erfahrung, wenig Lohnanspruch und Motivation bis in die Fingerspitzen gesucht». Auch wenn das Inserat mit einem Augenzwinkern online geschaltet wurde, macht es dennoch die Tendenz sichtbar. «Und genau so fühlen wir uns», so Gubser.
Ein Blick auf das Stellenportal der drei grössten Konzerne bestätigt das Bild. Bei TX Group ist aktuell im redaktionellen Bereich eine einzige Stelle ausgeschrieben, allerdings nicht als Journalist, sondern als SEO-Content-Editor, also als Schreibassistent. Ähnlich sieht es bei Ringier aus, wo im März zwar fünf Stellen frei sind, allerdings trägt auch hier keine die Bezeichnung «Journalist» oder «Journalistin». Und bei CH Media sind 13 Stellen offen, davon allerdings zehn Praktikumsstellen. Gubser lobt die Ausbildung an der ZHAW. «Das Angebot an der Fachhochschule ist gut. Auch werden wir bei den Bewerbungen gut begleitet. Wer es braucht, bekommt sogar psychologische Betreuung.» Als Vorbereitung auf die Stellensuche wünscht er sich im Studium aber eine inhaltliche Vertiefung in ein Spezialgebiet wie Politik, Sport oder Geschichte, die auch ausgewiesen wird. «Wenn ich die offenen Stellen anschaue, sehe ich immer wieder Medienunternehmen, die bereits ein Fachwissen fordern.»
Die Medienlandschaft leidet, die Zahl der Zeitungstitel schrumpft. In den letzten fünf Jahren sind 50 Zeitungstitel am Schweizer Medienhimmel verschwunden. Die Frage stellt sich: Bildet die ZHAW zu viele Journalisten aus? Nein, sagt Mediensprecher Matthias Kleefoot. «Die ZHAW befragt ihre Absolventinnen und Absolventen des Bachelorstudiengangs Kommunikation und Medien regelmässig, um zu sehen, wie sich ihre beruflichen Karrieren entwickeln. Dabei können wir feststellen, dass eine erfreulich hohe Zahl anschliessend eine Stelle findet – die Werte liegen seit Jahren stabil über 90 Prozent.» Das gelte für den Journalismus und die Kommunikation. «Zahlreiche Journalismusabsolventinnen und -absolventen sind in Zeitungsredaktionen tätig. Es entstehen aber auch laufend neue Angebote und Formate, insbesondere in den elektronischen und digitalen Medien.» Eine Vertiefung in Politik, Wirtschaft oder Sport sei keine Option. «Unsere regelmässigen wissenschaftlichen Untersuchungen des Berufsfeldes Journalismus zeigen, dass es auf Redaktionen eher eine Entwicklung in Richtung Themen-Allrounder gibt», sagt Kleefoot. Die Zahl der Journalisten mit klarer Ressortzugehörigkeit sei in den letzten 20 Jahren zurückgegangen. «Neben der Sachkompetenz sind andere Kompetenzen wichtig, so zum Beispiel die Vermittlungskompetenz, das heisst, eine Geschichte kanal- und zielgruppengerecht zu kommunizieren, die technische Kompetenz oder ganz einfach das journalistische Handwerk.»
Es sei bereits heute möglich, im Studium Schwerpunkte zu setzen. Im Rahmen einer Revision seien die Strukturen des Studiums so weiterentwickelt worden, dass die Studierenden eigene Schwerpunkte setzen könnten.
Sandro Portmann
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