Franziska Baetcke
ist Leiterin der Winterthurer Bibliotheken.
Überdimensioniert, zu wenig zentral und zu nah an der Starkstromleitung: Gegen das geplante Schulhaus in Iberg wächst der Widerstand.
Stadtplanung Malerisch wie ein Gemälde aus der Romantik, so präsentiert sich das ländliche Iberg mit seinen grünen Feldern und den Obstbäumen. Wäre da nicht die Hochspannungsleitung, die das einstige Landwirtschaftsdorf überquert. Doch wer hier wohnt, hat sich mit den Masten abgefunden.
Nun steht das idyllische Ortsbild aber erneut in Gefahr. Die Iberger wehren sich gegen das geplante Schulhaus für zwölf Primarklassen im Dorf. Der dreigeschossige Bau passe nicht ins Ortsbild, wo alle Häuser nicht mehr als zwei Geschosse haben. Ein Dutzend Iberger hat sich zur «IG Dorfbild Iberg» zusammengeschlossen und verlangt Anpassungen am Projekt. «Das Schulhaus ist komplett überdimensioniert», sagt Philipp Langerweger von der IG im Gespräch und deutet auf die Wiese, wo das Schulhaus geplant ist. «Der monumentale Bau überragt alle existierenden Bauten und fügt sich nicht ins Dorfbild ein», sagt er. Zudem entspreche es keinem Bedürfnis, die Scheune zu einem Dorfplatz umzugestalten. Die IG fordert von der Stadt, dass auch das neue Schulhaus nicht mehr als zwei Geschosse haben darf.
Dass ein neues Schulhaus nötig ist, ist unbestritten. Die Zahl der Schulkinder ist mit der regen Bautätigkeit der letzten dreissig Jahre stark angestiegen. Gab es im Schuljahr 2011/2012 noch sechzehn Klassen, sind es 2021/2022 bereits zwanzig. Und die Stadt rechnet mit einer weiteren Zunahme auf 21 Klassen im 2034/2035. Insgesamt 50 Architekturbüros haben sich bei einer öffentlichen Ausschreibung Gedanken gemacht, wie das neue Schulhaus aussehen könnte. Gewonnen hat den Wettbewerb das Projekt «Demetra» der Zürcher Architekten Waldrap. «Überzeugt hat die Jury die durchdachte Platzierung der Baukörper, aber auch deren Nachhaltigkeit. Schulhaus und Turnhalle sind in Holzbauweise konzipiert und folgen dem Gelände, sodass nur wenig Aushub nötig sein wird», informierte die Stadt im März in einer Medienmitteilung. Der Entscheid fiel ganz zum Unmut der IG. «Von den 50 Projekten gab es durchaus solche, die sich wunderschön ins Ortsbild eingefügt hätten», sagt Langerweger. Er kritisiert, dass die Stadt die Bevölkerung nicht besser in den Prozess eingebunden hat. «Wir haben eine Vernehmlassung vermisst.» Juristisch sei es sicher korrekt abgelaufen, «aber es entspricht den hiesigen Gepflogenheiten, die betroffenen Gruppen einzubinden.»
Auch die Nähe des Schulhauses zur Hochspannungsleitung kritisiert die IG. Die Starkstromleitung stand 2006 im Verdacht, sich negativ auf die Gesundheit der Schulkinder auszuwirken, klagten doch mehrere Kinder über Kopfschmerzen. Die Strahlung, befand die Stadt nach Messungen, seien für ein Schulhaus nicht ganz unbedenklich, und platzierte Schulkinder um. Die Grenzwerte, wohlbemerkt, wurden eingehalten. Nun plant die Stadt in unmittelbarer Nähe eben dieser Starkstromleitung für 29 Millionen Franken ein Schulhaus. Die geltenden Grenzwerte, versicherte die Stadt im April auf Nachfrage, würden im Schulgebäude eingehalten. 2029 könnte der Bau eingeweiht werden.
Für die IG ist klar: Das Schulhaus steht am falschen Standort. Dabei gebe es durchaus Alternativen. «In den 70er-Jahren gab es Pläne für ein Schulhaus im Dreieck Ziegelhütte, Weiherhöhe und Gotzenwil. Doch das Projekt ist in der Schublade verschwunden», so Langerweger. Heute ist das Areal eine kantonale Freihaltezone. Eine Umzonung in eine öffentliche Zone müsste vom Kanton genehmigt werden. Die zentrale Lage sei auch ökologisch sinnvoller. Um das Schulhaus auszulasten, so die Kritik, müssten Schulkinder vom Sennhof und aus Oberseen mit Schulbussen oder Privatautos nach Iberg chauffiert werden. «Durch die zentralere Lage verringert sich der Weg für den Schulbus vom Sennhof um fast einen Kilometer», so Langerweger. Pro Jahr seien das rund 62 000 Kilometer weniger, womit je nach Quelle zwischen sechs und acht Tonnen CO₂ eingespart werden könnten. Die privaten Fahrten von Vereinen, welche die Schulanlage künftig ebenfalls nutzen würden, seien noch nicht berücksichtigt.
Um ihren Anliegen mehr Gewicht zu verleihen, sammelte die IG Unterschriften für eine Petition. Laut Langerweger haben bereits rund 300 Personen unterzeichnet, was rund einem Viertel der Bevölkerung entspricht. Vom Winterthurer Stadtrat gibt es vorerst keine Stellungnahme auf die Kritik. «Der Stadtrat hat nach der Einreichung einer Petition sechs Monate Zeit zu antworten. Vor der Veröffentlichung dieser Antwort wird er sich nicht inhaltlich dazu äussern», sagt Mediensprecher Michael Graf auf Anfrage.
⋌Sandro Portmann
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